Was ist eigentlich ein Schärenkreuzer?

Alles, was flachbordig ist, mit langen Überhängen, aus glänzend im Lack stehenden Hölzern? So wird jeder Segler diese Frage beantworten. Das stimmt im Prinzip, zumal die 1908 zum Regattasegeln in den schwedischen Schären vereinbarte Konstruktionsklasse zunächst viele Freiheiten ließ. Einzig die Segelfläche war für die neun qm-Klassen vom 15er bis 150er begrenzt. Wer mit einem Schärenkreuzer gewinnen wollte, baute lang und leicht. Das hatte zu extremen und kurzlebigen Booten geführt. Um diese Entwicklung zu korrigieren, wurde die sogenannte Schärenkreuzer-Regel, so heißen die Klassenvorschriften bis heute, 1916 und 20 nachgebessert. Einer der letzten Dreißiger der 1920er Regel war 13,40 m lang und ganze 1,75 m breit. Diese Entwicklung und auch die Materialschlacht musste gezügelt werden.

Der Schärenkreuzer war damals ein gefragter Typ. In dieser Bootsklasse konnten die Deutschen nach dem ersten Weltkrieg wieder auf internationalen Regattabahnen mitmischen. 1920 wurden im 30er und 40er Schärenkreuzer um olympische Ehren gesegelt. Henry Rasmussen zeichnete und baute in Bremen, sein Rivale Gustaf Estlander in Berlin, wo die 40er besonders gefragt waren. Ehrgeiz und Konkurrenz waren groß.

Die Schärenkreuzerregel von 1925

Prof. Karl Ljungberg, einer der Miterfinder des Schärenkreuzers, überarbeitete die Schärenkreuzer-Regel derart umfassend, dass 1925 quasi ein Neustart des Schärenkreuzers erfolgte. Ljungberg dachte sich ein cleveres Korsett miteinander in Beziehung stehender Abmessungen rings um den Bootskörper aus. Zugunsten der Haltbarkeit der Boote ergänzte er es um detaillierte Vorschriften zu den Materialstärken. Seitdem konnte nicht einfach das nochmals längere Boot auf die Regattabahn geschickt werden. Länge war nach der 1925er Regel durch entsprechend mehr Gewicht, mehr Freibord (Bordwandhöhe), mehr Kiellänge und auch Breite zu erkaufen. Da die Segelfläche auf nominell 15, 22, 30, 40 oder 55 Quadratmeter usw. begrenzt war, lohnte sich mehr Schiff allein bei mehr Wind. Bei wenig Wind mussten das zusätzliche Gewicht und der Wasserwiderstand von der gleichen Segelfläche bewegt werden. Jetzt galt es, einen guten Kompromiß zu finden.

Rules for Skerry Cruisers/Squaremetre Yachts by Svenska Skärgårdskryssare Förbundet (SSKF)

Ein näherer Blick auf die Schärenkreuzerregel von 1925 zeigt, wie clever Ljungbergs Maßnahmen waren. Er zeigt auch, dass ein Schärenkreuzer mehr als ein schnittiges und flachbordiges Boot ist, wie wir Segler es heute angesichts der langen schlanken Planken in den Häfen vermuten. Die Zeichnung mit den vielen Meßpunkten, Ebenen und Begriffen läßt ahnen, wie raffiniert die Sache ist. Das wird an zwei Maßen deutlich, der Länge und der Breite.

Wie die Länge berücksichtigt wird

Als Länge wird nicht wie naheliegend die Gesamtlänge des Bootes oder die Wasserlinie berücksichtigt, sondern ein Maß in einer bestimmten Höhe über der Wasserlinie. Im Lauf der ersten zwei Jahrzehnte hatten die Schärenkreuzersegler entdeckt, wie sie wenig wasserbenetzte Fläche bei Leichtwind und eine hohe Rumpfgeschwindigkeit bei mehr Wind erreichen. Sie hatte diese Erkenntnis mit leichten und sehr schlanken, über einer kurzen Wasserlinie schwebenden Booten auf die Spitze getrieben. So bleiben die flach aus dem Wasser gehobenen Überhänge bei Flaute widerstandsarm in der Luft. Bei Wind strecken sie die kurze Wasserline automatisch zur effektiven Wasserlinie des fahrenden Bootes.

Deshalb wird das Längenmaß auf einer bestimmten Ebene über der Wasserlinie abgenommen. Die Wasserlinie ist in der Zeichnung Horizontal plane 0 genannt. Das Längemaß darüber bezeichnet die Zeichung als Horizontal plane 1. Es kommt der effektiven Wasserlinie des Rumpfes bei beginnender Fahrt nahe. Laut Schärenkreuzerregel ist die Höhe der Horizontal plane 1 von der tatsächlichen Wasserlinienlänge abhängig. Es sind zwei Prozent der Wasserlinienlänge. Gemäß der unten gezeigten Tabelle sind es beim 22er beispielsweise 15 Zentimeter, beim 30er 18 cm über der Wasserlinie.

Dieses Maß macht deutlich, wie anspruchsvoll Entwurf und Bau eines Schärenkreuzers war. Das Boot musste genau in der vorgesehenen Wasserline schwimmen. Die Berechnungen zur Schwimmlage des Bootes mussten stimmen und der Bootsbauer sich strikt an die Gewichte und Wandstärken sämtlicher Bauteile halten. Das Maß der Horizontal plane 1 geht in der folgenden Tabelle als Ideal length (L1) bezeichnet in die Vermessung ein. Da das Kielgewicht bei den Schärenkreuzerklassen bis 55 qm freigestellt ist, konnten Konstrukteur und Werft das Boot so leicht wie möglich bauen, soweit die detaillierten Bauteilbestimmungen eingehalten wurden. Zugleich konnten sie ihm so viel Ballast wie möglich geben. Ein hoher Ballastanteil lohnt sich beim schlanken Boot, das wenig Formstabilität hat, besonders.

Rules for Skerry Cruisers/Squaremetre Yachts by Svenska Skärgårdskryssare Förbundet (SSKF)

Die Sache mit der Breite

Die Breite war beim Schärenkreuzer ein heikles Thema. Je schlanker das Boot, desto besser läuft es bei wenig Wind. Bei den vorigen Regeländerungen 1916 und 20 hatte man schon versucht Mindestbreiten durchzusetzen. Eine Idee war, die Konstrukteure mit einem gedachten Rechteck, dem sogenannte Koffermaß, zu breiteren Booten zu zwingen.

Die 1925er Regel nun vermisst den Hauptspant, in der Zeichnung Main Section genannt, auf drei Ebenen. Einmal an der Deckskante als Maß b0, dann auf einer bestimmten Höhe über der Wasserlinie als b1 und einmal etwas unterhalb der Wasserlinie als b2. Diese drei Breiten werden von der 1925er Schärenkreuzer-Regel miteinander zur sogenannten „mittleren Breite“ verrechnet. Dabei wird die größte Breite über Wasser mit dem Faktor 4 berücksichtigt. In der dritten Zeile der Tabelle Mean breath at main section sind die Mindestbreiten für die verschiedenen Schärenkreuzerklassen festgehalten.

Von marginalen Ergänzungen abgesehen besteht Ljungsbergs großer Wurf, die vierte Version der Schärenkreuzer-Regel, seit 1925. Sie ist als 47-seitiges Pdf auf Englisch im Internet auf der Website des Svenska Skärgårdskryssare Förbundet (SSKF) per Mausklick zugänglich. Sie beglückt uns mit einem der schönsten, haltbaren Segelspielzeuge überhaupt. Seit Jahrzehnten werden Schärenkreuzer von Generation von Generation erhalten und mit endlosem Genuß gesegelt.

Foto oben von Ulla Prötel: 15er und 22er Schärenkreuzer in Lemkenhafen/Fehmarn