Die Heckbalken der Hetairos
Mit ihrem Mix aus traditionellem Look und moderner Segeltechnik ist die 67 m Ketsch Hetairos die interessanteste Yacht unserer Zeit. Ein übersehenes Detail ist das achtern offene Heck im Stil der Rennkutter des 19. Jahrhunderts.
Im Kielwasser der Themse Tonnage Vermessung
Seit einer Weile ist die Form des englischen Lotsen- und Rennkutters wieder in. Sie beginnt mit einem senkrechten Vorsteven und endet an der gestreckten Heckpartie mit einem traditionell geneigten Yachtheck. Im Grunde ist sie so alt wie die 1855 eingeführte Themse Tonnage-Vermessung, die wiederum auf eine Mitte des 17. Jahrhunderts eingeführte Besteuerung von Frachtseglern zurückgeht.
Die Themse Vermessung berücksichtigte die Rumpfbreite und Länge. Bemerkenswert dabei ist, dass als Länge das Maß zwischen dem Vorsteven und der Ruderwelle galt. Das ließ den hinteren Überhang des Rumpfes außen vor und ermöglichte, ihn zugunsten einer gestreckten effektiven Wasserlinie von der Vermessung unberücksichtigt zugunsten der Rumpfgeschwindigkeit flach zu halten.
Mit Gaffelgroß und Klüverbaum
Für den Vortrieb sorgte der weit vorn im Schiff stehende Mast mit einem riesigen Gaffelgroß. Dessen Fläche wurde vor dem Bug an einem ausfahrbaren Bugspriet oder starren Klüverbaum mit zahlreichen Vorsegeln ausbalanciert. Mit mehreren handlich kleinen Tüchern wie Fliegern, Klüvern, Stagsegeln oder Fock wurde die Besegelung an die Windverhältnisse angepasst. Ebenso wie den achteren Überhang berücksichtigte die Themse Vermessung Klüverbaum und Bugspriet nicht. Die Gaffeltakelage mit riesigen Großsegel, Topsegeln und zahlreichen Vorsegeln war unhandlich, aber eben der damalige Stand der Technik.
So sahen auch die Yachten des Royal Yacht Squadron, des Königlichen Yacht Geschwaders im ausklingenden 19. Jahrhundert und Anfang des 20. Jahrhunderts aus. Das Deck der flachbordigen Schiffe war von einer Schanz als Relingsersatz geschützt. Überkommendes Wasser floss seitlich durch Speigatten und achtern durch die Öffnungen zwischen den Heckbalken der Schanzkleid Stützen ab. Eines der letzten Exemplare dieser Bauart ist der 1920 aufgetakelte, 2006 erneut in Betrieb genommene 46 m Kutter Lulworth.
Nach mehrjähriger Entwicklung und Bau schob der finnische Kompositspezialist Baltic Yachts vor einigen Jahren einen mit ganzen 230 Tonnen verblüffend leichten Renner aus der Halle. Der yachtbauliche Meilenstein heißt Hetairos und geht bei 1.700 qm mit der beeindruckenden Segeltragezahl von 6,8 an den Wind. Die zweimastige Takelage lässt sich so eben noch als Ketsch bezeichnen, wobei der Besan annähernd die Länge des vorderen Mastes erreicht. Im Grunde ist es fast ein Schoner mit zwei seglerisch vorteilhaft weit hintereinander stehenden Masten. 60 m Deckslänge machen es möglich.
Zwei Jahrhunderte Yachtbau
Womit wir beim sehenswerten Heck wären. Das klar lackierte Furnier des Spiegels ist mit einer Goldbordüre umrahmt. So hatte es der Eigner schon bei seinem vorigen Boot gleichen Namens gehalten. Die Heckbalken sind 15 cm dick, 32 cm hoch und unten natürlich dicker als oben. Sie erscheinen wie aus Eiche oder Teak getischlert. Aus Gewichtsgründen entstanden sie aus einem Spezialschaum, der mit Karbon ummantelt ist und der Optik halber abschließend braun wie Teak angemalt wurde. So bringt der viel bewunderte Zweimaster überschlägig zwei Jahrhunderte Yachtbau auf einen ziemlich aktuellen Stand.
Foto oben: Baltic Yachts/Carlo Borlenghi. Hetairos bei der St. Barth Bucket Regatta.
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