6 mR-Yacht Hamburg

Über den 6er „Hamburg“, ihren namhaften Auftraggeber und die fabelhafte Meterklasse. Und über Segeln als darstellende Kunst, deren flüchtiges Gelingen im richtigen Moment bleibend festgehalten wird.

Haben Sie schon mal von Erich Ferdinand Laeisz gehört? Er war beruflich wie privat Großsegler. Das Geld für die wahrlich ausgelebte Segelleidenschaft bescherte ihm seine Hamburger Reederei in der noch einträglichen Salpeterfahrt von Chile nach Europa. Salpeter war als Düngemittel und Basis für Sprengstoff gefragt. Es waren gut ausgestattete, geschickt gesegelte und entsprechend schnelle Rahsegler. Dem Brauch, den Schiffen mit dem Buchstaben „P“ beginnende Namen zu geben, verdankt die Reederei den Namen „Flying P-Liner“. Zeugnisse dieser Ära liegen wie die „Passat“ in Travemünde und die „Peking“ neuerdings in Hamburg.

Erich F. Laeisz, seine Boote und die 6 mR-Yacht „Hamburg“

Genauso hielt es Laeisz bei seinen privaten Booten. Denn auch in seiner Freizeit war Laeisz Reeder. So ließ er sich praktisch jedes Jahr von Henry Rasmussen bei Abeking & Rasmussen in Bremen ein neues Boot bauen, manchmal auch zwei. Nach einigen Schärenkreuzern wurde 1927 die „Hamburg“ als erste 6 mR-Yacht nach dem Krieg aufgetakelt. Bei diesem Boot machte er von seiner Namensmarotte mal eine Ausnahme. Ansonsten waren es kurze und eingängige Namen, die von Boot zu Boot übernommen wurden.

Die Übersicht zeigt, warum Laeisz (1888–1958) als Förderer des heimischen Bootsbaus und Regattasegelns erinnert wird.

BaujahrA&R BaunummerBootstypBootsname
1924209030er SchärenkreuzerPan
1925219130er SchärenkreuzerPan
192722856 mRHamburg
1927224230er SchärenkreuzerPan
192823856 mRPan
192925086 mRPan
1929252630er SchärenkreuzerPasch
19312662StarbootPaka
Acht Laeisz Boote: Auszug aus dem Baunummernverzeichnis von Abeking & Rasmussen

Anlass für die „Hamburg“ war eine Geschäftsreise von Henry Rasmussen in die Staaten, damals der wichtigste Markt deutschen Bootsbaus. Auf dem Long Island Sound wurde Sechser gesegelt und Rasmussen wurde gefragt, wann die Deutschen nach ihren Erfolgen bei den 30er Schärenkreuzern bei der international zunehmend gefragten 6 mR-Klasse mitmischen.

Wie es zur Meteryacht „Hamburg“ kam

Henry Rasmussen berichtet in seinen Memoiren: „Als ich im Herbst 1926 aus Amerika zurückkehrte, besprach ich alles mit meinem Freund Laeisz. Herr Laeisz ergriff auf meine Anregung hin sofort die Initiative und gab einen 6er in Auftrag. Somit entstand der erste 6er nach dem Kriege, die „Hamburg“. Herr Laeisz wurde vielfach wegen seiner neuen Ideen angefeindet. Böse Leute nannten mich den Geburtshelfer von Erich F. Laeisz“ erinnert der Konstrukteur, Segelfunktionär und Bootsbauer die gedeihliche, für den norddeutschen Segelsport und auch die Werft förderliche Freundschaft.

Leider gelang es mit der „Hamburg“ nicht, an die im 30er Schärenkreuzer ersegelten Erfolge anzuknüpfen. Denn anders als seine angelsächsischen und skandinavischen Kollegen Charles Nicholson oder Johan Anker war Rasmussen bei seinem ersten Sechser nicht im Thema. Die „Hamburg“ nahm nicht an den Olympischen Regatten 1928 in Antwerpen teil.

Die Finessen der Meterklasse

Die Meterklassenformel verrechnet im Wesentlichen den Antrieb in Gestalt der Segelfläche mit der Länge und damit der Rumpfgeschwindigkeit. Beim Entwurf einer Meterklasseyacht gleich welcher Größe – es gibt sie vom 6er bis zum 23er – geht es um einen Kompromiss zwischen Leichtwind-Segeleigenschaften und Geschwindigkeit bei Wind. Viel Segelfläche geht zulasten der Geschwindigkeit. Länge geht zulasten der Segelfläche. Man muss sich die Sache also gut überlegen und einen cleveren Kompromiss finden.

Das macht die 1908 erstmals vereinbarte, wiederholt überarbeitete Formel und ihre Erzeugnisse bis heute so interessant. Rasmussen hatte ein generös besegeltes Leichtwindschiff entworfen. Dabei machte es die vergleichsweise große Breite von 2,07 m einigermaßen steif, sodass die „Hamburg“ allerhand Wind vertrug.

Die betrübliche Tatsache, dass der Neubau bereits in der Segelsaison 1927 gegenüber der starken skandinavischen Konkurrenz keine Chance hatte, blendet Rasmussen in seinen allgemein gehaltenen Erinnerungen aus: Die Ruderwelle des Bootes endete unter Deck, was die Handhabung des Bootes bei Wind erschwerte. Bereits nach dem Kieler Woche-Debüt Ende Juni 1927 bekam das Boot mit Blick auf die Regatten in Skandinavien eine an, statt unter Deck montierte Pinne.

Neues Boot, neues Glück: der 6er „Pan“

Laeisz löste das Problem, indem er einen neuen Sechser nach angelsächsischen Plänen bestellte und zum bewährten Brauch der Namensgebung zurückkehrte. Er nannte ihn „Pan“. Die „Hamburg“ wurde nach Bremen verkauft, bald zum Tourensegeln hergerichtet und tauchte als „Ziu“ im heute selten zu findenden Büchlein „Drei Mann an Bord“ noch einmal auf. Das Ende des Zweiten Weltkriegs überstand das Clubschiff des Akademischen Seglervereins Stettin versenkt im Oderhaff. Später war es als „Swantewitt“ in polnischen Gewässern unterwegs.

6er “Hamburg” 1927 bei Wind in der Kieler Förde – Foto aus Henry Rasmussens Memoiren

In den Neunzigerjahren wurde der Henry Rasmussen Enkel Andreas Krause als Liebhaber von A&R Booten in Danzig auf das Boot aufmerksam. Es benötigte einige Phantasie, in der mit einem klobigen Kajütaufbau entstellten „Duca II“ ex. „Swantewitt“ ex. „Ziu“ die verloren geglaubte „Hamburg“ zu erkennen. Das Boot wurde in der damaligen Werft „Krause & Wucherpfennig“ in der traditionellen Machart wiederhergestellt.

Mit einem Deck in der herkömmlich genagelten und Leinen bespannten Ausführung. Mit Wanten, die seitlich durch das Deck zum Mastfuss umgelenkt sind. Mit nachgemachten A&R-Schotwinschen des australischen Spezialisten Hutton. Und mit einem auberginefarben lackierten Rumpf.

Eine sehenswert authentische Klassikerinstandsetzung, die später vor der angesehenen Stapelfeld-Werft an der Schlei überarbeitet wurde. Schlicht, wie das ansonsten nur Italiener mit ihrem untrüglichen Sinn für stilsicheren Zeitvertreib hinbekommen.

Sechsersegeln ist Wahnsinn

Ich hatte vor einer Weile Gelegenheit, das Boot bei bockigem Wind in der Kieler Förde zu segeln. Die Handhabung war so interessant wie das Ablegen und die Rückkehr in das Hafenbecken des Kieler Yacht-Club ohne Motor. Dank 60 Prozent Ballastanteil bleibt es in der gekrängten Endposition, fährt durch dick und dünn. Ein Wahnsinns-Spaß. Das kann man in dieser Konsequenz ein paar Stunden machen. Dann geht man wieder nach Hause und erholt sich von dem ganzen Zinnober. Bemerkenswert, mit welchem Wumms der Sechser als typische Meterklasse ungebremst durchs Wasser geht. Ein filigraner Schärenkreuzer ist deutlich leichter und mit seinem gestreckten Vorschiff bei frischem Wind sensibler.

Warum das hier erzählt wird? In den Artikeln Haubentaucherperspektive und Split Level Fotografie geht es um zwei Varianten der Segelfotografie. Hier kann man schon mal darüber nachdenken, ob sich der Effekt vor das Thema schiebt. Die beiden „Hamburg“-Fotos von Sören Hese zeigen, warum das Genre klassischer Segelfotografie nach wie vor reizvoll ist. Wie sich mit einem bestimmten Augenblick der Charakter eines Bootes und der flüchtige Wahnsinn klassischen Sechser Segelns offenbart.

Nochmal ein Blick auf den auberginefarbenen Sechser in der Kieler Förde – Foto Sören Hese

  • Henry Rasmussen: Yachten, Segler und eine Werft: Hans Dulk Verlag Hamburg 1956, S. 161
  • Svante Domizlaff: Abeking & Rasmussen. Evolution im Yachtbau. Delius Klasing Bielefeld: 1996, antiquarisch, ISBN 3-7688-0953-6, Baunummernverzeichnis S. 137
  • Ingvard Liewendahl, Harald Alftan, Pekka Barck: Sexornas Jakt Finlands 6 mR-Förbundet Helsingfors: 1992, ISBN: 952-90-3677-9 175 Seiten
  • Udo Pini: 125 Jahre NRV (1868–1993), Norddeutscher Regatta Verein Hamburg 1993, 326 Seiten
  • Hans Freyse, Hans Karr: Abeking & Rasmussen. Die Kunst des Schiffbaus. Koehlers Verlagsgesellschaft, Hamburg: 2010, 171 Seiten. ISBN: 978 3 7822 0996 0, mit Baunummernverzeichnis

Haubentaucherperspektive, Split Level Segelfotografie, Schlank & Rank Schärenkreuzer Regatta Fehmarn

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