Ruderlager Buchsen erneuern
Alles, was sich an einem Boot bewegt, leiert im Laufe der Zeit aus und muss eines Tages repariert oder ersetzt werden. Hier die Geschichte zu ausgeschlagenen und beharrlich gewechselten Ruderlager-Buchsen.
Zu den Themen, die mich eine ganze Weile an Bord meiner Swede 55 beschäftigten, gehört das Ruder, speziell die Führung der Ruderwelle im Schiff. Das Ruder soll sich leichtgängig, dabei ohne Spiel unter dem Schiff drehen, damit Steuern Spaß macht. Wie die meisten modernen Boote hat Swede 55 ein vorbalanciertes, frei unter dem Heck hängendes Blatt. Es ragt ohne Skeg unter das Schiff. Yachtkonstrukteure nennen so etwas Vollschwebe- oder Spatenruder. Da die Ruderwelle, bei Swede 55 ist es ein 70 mm Edelstahlrohr, auf einer recht kurzen Strecke von zwei Lagern geführt ist, sind diese Führungen beim schnell gesegelten Spinnakerkurs erheblich beansprucht.
Da liegt es in der Natur der Sache, dass die Buchsen irgendwann ausgeleiert sind. In den eng auf der Ruderwelle sitzenden Führungen entstehen Langlöcher, in denen das Ruder bei jeder Drehung oder jeder Welle, die unter dem Boot durchgeht, klappert. Das kann zwar eine Weile vernachlässigt werden, das Gepolter stört jedoch unter Deck.
Wenn das Ruderlager klappert
Mich störte das Klappern von Anfang an, weil die Ruderwelle durch die Achterkajüte geführt ist, wo ich mich unterwegs gern mal zurückziehe. Auch beim Ankern ist der Lärm bei jedem Wellendurchgang lästig.
Das kann keine große Sache sein, dachte ich vor einigen Jahren. Man baut das Ruder beim Winterlager-Krantermin aus, sieht sich die ausgeleierten Buchsen an, misst den Durchmesser der Ruderwelle und auch den Platz im Schiff zur Aufnahme der neuen Buchsen. Es sind sogenannte Bundbuchsen, röhrenförmige Buchsen mit einer Art Flansch oder Bund, die sie an ihrem Platz halten.
Eine Zeichnung, etwas sogenanntes POM, Einzelheiten hierzu unten, eine Dreherei oder mein hilfsbereiter Segelfreund Uli mit einer Drehbank daheim im Keller: kann doch alles nicht schwer sein, meinte ich. Wie im sonstigen Leben gibt es leider einen Unterschied zwischen Idee und Ausführung.
Denn die Buchsen dürfen nicht so eng sein, wie ein Maschinenbauer sie üblicherweise macht: weil sich ein Rumpf mit durchgesetzten Back- oder Achterstagen verzieht, das Buchsen-Material Wasser aufnimmt, also eine Idee quillt und die Ruderwelle dann schwergängig wird oder ganz klemmt. Der Teufel steckt auch hier im Detail. Ich habe mal eine Saison mit einer zu stramm auf der Welle sitzenden und daher im Koker drehenden Buchse gesegelt. War nicht schön, ging aber.
Mit 72 Millimetern für eine 70 mm Ruderwelle hatte die Fisksätra Werft es sich damals einfach gemacht. Zwei Millimeter Spiel klappern zwar, klemmen dafür nie. Am Ruderkoker, das ist dieses durch das Schiff gesteckte Rohr, in dem die Ruderwelle zwischen den oben und unten sitzenden Buchsen rotiert, hatte die Schweden einen Schmiernippel angebracht, um den Hohlraum mit Fett zu versorgen. An Land abgestellt, lief das Fett das Ruderblatt hinunter. Eine unnötige Schweinerei, da Ruderlager aus selbstschmierendem Kunststoff gemacht sind, also keine zusätzliche Schmierung benötigen.
Zehntel Millimeter Schritte der Ruderlager-Buchse
Der Gedanke war anscheinend: Etwas mehr Spiel gibt keine Reklamationen. Nach wiederholtem Aus- und Einbau des Ruders beim alljährlichen Herbst- und Frühjahrs-Krantermin und mehreren Buchsenpaaren gab ich es vor einigen Jahren dann auf. Oben blieb es bei einer Buchsen-Innenweite von 70,30 mm. Unten waren 70,1 mm, 70,3 mm und 70,4 mm zu eng und 70,75 mm zu weit. Bei 70,5 mm Innenweite der unteren Ruderlagerbuchse war für mich zunächst Schluss. Ich haben einige Buchsen für oben und unten drehen lassen, ein- und wieder ausgebaut.
Warum das Ruder dennoch klapperte, verstand ich nicht. Ich wusste nur: wenn man mit seinem Latein am Ende ist, muss man lockerlassen. „Na Herr Braschos? Soll das Ruder wieder raus?“ hieß es dennoch alljährlich im Herbst mit üblichem Spott. Den Ruf, ich hätte was mit meinem Ruder, ich hätte da irgendeine Macke oder sonst keine Probleme, wurde ich lange nicht los.
Dabei hatten meine Segelfreunde, die geduldigen Betreiber meines Winterlagers, normal verkniffene Norddeutsche hätten das Boot, Ruder und mich nach der dritten Aktion weggeschickt, und ich Routine beim Aus- und Einbau des Ruders: Spannschrauben der Steuerdrähte am Quadranten lösen, Drähte beiseitegeschoben, Notpinnen-Zapfen ab, Muttern am Quadranten lockern, Ansage nach unten, Muttern ganz losgedreht und die Segelfreunde nahmen das Trumm in Empfang. Eine Sache von Minuten. Wir waren so fix, dass der Kranbetrieb kaum aufgehalten wurde. Das Boot wurde etwas höher als üblich angehoben, Ruder raus, dann ging es auf den Bock oder ins Wasser.
Die vergangenen Jahre akzeptierte ich, dass das Ruder bei jeder Kurskorrektur und jeder Welle wupp-wupp klappert. Dennoch baute ich es im Herbst 2013 wieder aus. Nicht etwa für Version 6 der unteren Ruderlagerbuchse, sondern um es den Winter über zu Hause abzuschleifen, den Glasfaser-verstärkten-Kunststoff Osmose sicher zu verpacken und im Frühjahr beim Krantermin mit gehabter Routine wieder einzubauen. Vorerst letztmalig, versteht sich!
Buchsenwechsel selbst gemacht
Wie kommen Sie nun an die Buchsen? Wenn Sie ein gängiges Serienboot haben, fragen Sie die Werft oder den Händler, ansonsten einen Bootsbauer/Servicebetrieb vor Ort im Winterlager. Bei einem Exoten wie Swede 55 oder schon lange nicht mehr gebauten Fabikat führt an der Beschaffung des Materials in Eigenregie und einer Sonderanfertigung kein Weg vorbei.
Wenn Sie das Ruder Ihres Bootes zum anstehenden Buchsenwechsel, Osmosecheck, zum Trocknen oder einer sonstigen Reparatur ausbauen möchten, besorgen Sie sich zunächst alle verfügbaren Unterlagen von der Werft, vom Konstrukteur oder der Klassenvereinigung. Eine Zeichnung des Ruders mit der Welle und dazu gehörendem Innenleben, Hinweise zum Profil, Zeichnungen und Einzelheiten zu den eingebauten Ruderlagern erleichtern die Vorbereitung.
Zweitens prüfen Sie, ob sich das Ruder unter dem an Land abgestellten Schiff aus- und einbauen lässt. Passt das Ruder einschließlich der Ruderwelle senkrecht unter das Heck, sind Sie unabhängig vom Krantermin. Wenn nicht, heben ue es wie beschrieben beim Krantermin raus, bevor das Boot auf dem Winterlagerbock abgesetzt wird
Drittens sollten Sie Zeit einplanen. Bauen Sie das Ruder im Herbst aus Herbst aus und fangen gleich an. Dann haben Sie bis zum Frühjahr Zeit.
Messen Sie die Ruderwelle und den Ruderkoker zur Aufnahme der Buchsen am besten mit einer digitalen Schublehre aus und vergleichen Sie die Maße mit der Zeichnung seitens der Werft oder vom Konstrukteur. Interessanter als die angenommenen sind die realen Maße.
Vom naheliegenden Umbau des Ruderlagers auf technisch bessere Pendelrollenlager rate ich ab. Wenn das vorhandene Gleitlager lange funktioniert hat, bleiben Sie dabei und wechseln lediglich das Verschleißteil im Wert von etwa 50 €.
Damit sich die neue Buchse in den Koker einsetzen lässt, wird sie mit einer sogenannten Fase, einer schräg abgedrehten Kante angespitzt. Kaufen Sie anhand des Innen- und Außendurchmessers eine Stange oder ein Rohr (als Vorrat für mehrere Buchsen), des neuen Materials um daraus die Buchsen drehen zu lassen.
Übliches Material für Ruderlagerbuchsen
- Früher wurden Propellerwellen und Ruderlager großer Schiffe mit wachshaltigem und im Wasser leicht quellendem Pockholz abgedichtet. Das dunkle, schwere mittelamerikanische „Guaiacum officinale“ ist auch als Franzosenholz bekannt.
- Seewasserbeständige Bronze, Marinebronze genannt, ist das klassische Material für Ruderlagerbuchsen. Bei CG-Cu Sn 12 handelt es sich um eine harte Legierung. Es gibt härtere, allerdings doppelt so teure seewasserbeständige Bronzelegierungen. Die Buchsen-Durchmesser müssen genau den Gegebenheiten von Koker und Welle angepasst werden, sonst schlagen sie rasch aus.
- Polyoxymethylen oder Polyacetal, kurz POM genannt, ist ein meist weiß bis elfenbeinfarbenes Material, das als technischer Kunststoff für Lager- und Gleitzwecke im Maschinenbau verwendet wird. An Bord sind die Laufflächen von Schiebeluken, Hubkielführungen oder Ruderlager üblicherweise daraus. Meist kennt man es unter dem Markennamen Delrin. Der Kunststoff ist selbstschmierend und wartungsfrei. Das Material ist in jedem Kunststoff Großhandel (Internet) zum Preis von wenigen Euro/Kilo unter den Bezeichnungen Homopolymer oder POM zu bekommen. Nicht teuer und für den üblichen Gebrauch ausreichend. Für den Quelleffekt infolge der etwa ein-prozentigen Wasseraufnahme sind je nach Wandstärke der Buchse im Unterschied zu Marinebronze wenige Zehntel Millimeter Spiel einzuplanen. Die Buchse sollte sich von Hand mit etwas Widerstand über die Ruderwelle schieben lassen. Rutscht die Buchse von selbst die Welle runter, ist der Durchmesser zu groß. Mangels Quellwirkung kann die obere, dauerhaft trockene Buchse eine Idee enger sein.
- Thordon ist die Markenbezeichnung einer Polymerisat-Mixtur, die aus Gummi und Kunststoff besteht. Der Gummianteil gewährleistet die wünschenswerte Elastizität, der Kunststoff bietet die erwünschte Verschleiß- und Schlagfestigkeit. Als sogenanntes Elastomer hat Thordon die Eigenschaft, nach einer Belastung nicht im verformten Zustand zu verharren. Es kehrt wieder in die ursprüngliche Form zurück. Diese Eigenschaft macht es zum idealen Gleitlagerwerkstoff. Teuer, via Internet beschaffbar, der Mercedes unter den Gleitlager-Materialien. Wer es besonders gut meint und lange Ruhe haben möchte, tastet sich mit Delrin an die richtigen Maße heran und lässt dann abschließend aus Thordon drehen.
Vom gelegentlich empfohlenen Einkleben der Buchse im Koker rate ich ab. Wie möchten Sie eines Tages die ausgeleierte Buchse ausbauen?
Dank an: Hans-Ulrich Eichler (für Rat und Tat an der Drehbank), Markus Hamma, Firma Nadella (Thordon Infos), Firma T&W Metalle Hamburg (Bronze Infos), Johannes Waimer sr. (damals Speedwave Jettingen, später Dubai) und Friedrich Winterhalter (Werft Beck & Söhne).
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