Profilierung eines Yachtruderblatts
Welches Profil für das Ruderblatt im Unterschied zur Kielflosse empfehlenswert ist. Was in den Siebzigerjahren im anspruchsvollen Bootsbau üblich war und was heute genommen wird. Welche Finesse den gefürchteten Strömungsabriss hinauszögert. Wie Sie bei Ihrem Boot zum optimalen Profil kommen.
Nach dem ersten Artikel über passende Ruderlager-Buchsen und dem zweiten über die Reparatur des klappernden Ruderblatts geht es hier um die Korrektur des Profils. Wo Experte Peter Andrin Steiner, Albane Leclerc und Kevin Bulpitt am Bodensee ohnehin dabei sind, wird bei der Gelegenheit das Profil des Ruderblatts überprüft.
2002 hatte ich mich bereits bei Prof. Sven Olof Ridder in Sarasota/Florida nach den Einzelheiten erkundigt. Als Spezialist für Strömungslehre an der KTH Stockholm hatte Ridder in den Siebzigerjahren mit einem bestimmten NACA-Profil zu Swede 55 beigetragen.
Abweichend vom ursprünglichen langkieligen Entwurf von Knud Reimers erhielt Swede 55 Mitte der Siebzigerjahre ein zeitgemäßes Unterwasserschiff mit einem geteilten Lateralplan – bestehend aus einer Kielflosse und dem frei stehenden Skeg losen Ruder. Die Einzelheiten sind auf der einleitenden Seite zu Swede 55 und der über die Entwicklung von Swede 55 beschrieben. Um welches Profil es sich handelt, wie man es am besten kontrolliert und gegebenenfalls auf das vorhandene Ruderblatt überträgt, hatte der wunderbar bescheidene, hilfsbereite und freundliche Ridder in einem handgeschriebenen zweiseitigen Telefax erklärt.
2013 war es dann so weit. Ich fragte Jan Böhm, damals Leiter der angesehenen Hamburger Lütje Werft, wie ich vorgehen sollte. Er empfahl Jörn Kröger von der TU HH-Harburg zum Thema. Kröger ist spezialisiert auf „Computational Fluid Dynamics“ (CFD), die Computer simulierte Darstellung von Strömungsverhältnissen. Kröger sah sich das empfohlene Profil an, beriet hinsichtlich geeigneter Alternativen und schickte eine digitale Vorlage, die für Schablonen mit Sehnenlängen bis 76 Zentimeter vergrößert werden kann.
Das Profil des Ruderblatts stimmt nicht
Der Schablonentest ergab: Weder der Nasenradius vorn noch die Flanken des Ruderblatts stimmten. Nun ist besonders die Vorderkante, wo das Profil angeströmt wird, für die Ruderwirkung und den geringstmöglichen Widerstand wichtig. Der sogenannte Nasenradius ist deutlich runder als vorgesehen. Er muss elliptischer sein. Das hatte Steiner bereits bei der Übergabe des Ruders im Winter mit bloßem Auge gesehen. An den Seiten fehlt dem Ruderblatt im oberen Drittel jeweils ein Zentimeter Breite.
Der Unterschied zwischen dem Kielprofil und dem eines Ruderblatts ist, dass das Ruder mit deutlich größeren Anströmungswinkeln fertig werden muss. Das ist besonders bei schnellen Spinnakerkursen interessant, wo das Boot auf Kurs zu halten ist.
Der langjährige Steiner Kollege Kevin Bulpitt hat manche große Yacht gespachtelt und lackiert, von 24 m Wallys wie „Aori“ und „Magic Carpet“ bis zur J-Class „Velsheda“. Außerdem große Motoryachten, wo Flächen im makellosen Finish von Autokarosserien erwartet werden. Steiner arbeitete seit Mitte der neunziger Jahre mit Albane Leclerc und Kevin Bulpitt zusammen, als er in Südfrankreich mit den Maxis der Grand Mistral Kasse für Pierre Fehlmann beschäftigt war.
Wie das Swede 55-Ruderblatt optimiert wurde
Also wurden Schablonen gebaut und auf die Form übertragen. Dann packte Bulpitt das fehlende Material mit etwa 7 Litern Epoxidspachtel in zehn Arbeitsgängen auf das Blatt. Hierzu wurde das Blatt in drei Arbeitsgängen abwechselnd mit Epoxidspachtel beschichtet und geschliffen. Es folgten drei Lagen Epoxid und die abschließende Lackierung mit einer Lage Antifouling. Letztere langt, um das Unterwasserschiff eine Ostsee-Segelsaison bewuchsfrei zu halten. Materialkosten damals 300 €, 30 Stunden Arbeit.
Den freundlichen Spott des Kranpersonals beim wiederholten Anheben des Bootes vom Winterlagerbock und bei der Montage des neuen Ruderblatts habe ich natürlich ertragen. So wie den meiner Segelfreunde. Schön, dass an das Thema ein Haken dran kam.
Wissenswertes zu Ruderprofilen
Wasser ist achthachthundert mal dichter als Luft. Deshalb ist es strömungstechnisch gesehen mehr oder minder ein und dieselbe Materie. Hier ein vertiefender Blick ins Thema mit Literaturhinweisen, Links und Einschätzungen.
Beim sogenannten NACA-Profil handelt es sich um eine Sammlung verschiedener Profile der staatlichen US-amerikanischen Organisation National Advisory Commitee for Aeronautics. Ob es sich bei Ihrem Boot um ein NACA-Profil handelt, erfahren Sie beim Konstrukteur, der Werft oder der Klassenvereinigung des Bootes.
Folgendes Standardwerk hat jeder Yachtkonstrukteur im Regal stehen: Ira H. Abbott und Albert E. von Doenhoff: „Theory of wing sections, including s summary of arfoil data“, Dover Publications, 1949/59, ISBN 978-0-486-60586-9.
Prof. Ridder hatte für das Swede 55-Ruderblatt das NACA-Profil 63(2)-015 vorgesehen. Diese Zahlenfolge enthält folgende Hinweise: 6 = Profilserie, 3 = minimaler Druck bei 30 Prozent der Profillänge, 2 = außergewöhnlich geringer Widerstand im Bereich von +/- 0.2 cL um den Auftriebsbeiwert des Designpunktes (low-drag Bereich), 0 = Auftriebsbeiwert cL (in Zehnteln) für Anstellwinkel von 0 Grad (hier 0, da keine Profilwölbung), 15 = maximale Dicke bei 15 Prozent der Profillänge.
Dipl.-Ing. Jörn Kröger von der TU HH-Harburg wies darauf hin, dass es sich bei diesem Profil zwar um ein widerstandsarmes, jedoch um ein sogenanntes „Laminarprofil“ handelt. Als empfindliches Profil ist es bei variierenden Anstellwinkeln nicht ideal. Es eignet sich allenfalls für kleine Ruderausschläge.
Es erreicht bei Ruderwinkeln von etwa 15 Grad seinen maximalen Auftrieb. Bei größeren Winkeln steigt der Widerstand stark an und es besteht die Gefahr, dass die Strömung abreißt. Bereits mit normalem Ruderausschlag zwecks Abfallen und Ausgleich der üblichen Luvgierigkeit würde Kröger zufolge der für Laminarprofile charakteristische enge Bereich sehr geringen Widerstands verlassen werden.
Im Fachbuch „Principles of Yacht Design“ unterscheiden Lars Larsson und Rolf Eliasson klar zwischen Kiel- und Ruderprofilen. Während für Kiele die 6er-Profile generell anwendbar sind, wird diese Profilserie nur für Ruder von leichten und schnellen Boote empfohlen. Bei schweren Verdrängern sind NACA-Profile der 4er-Serie besser.
Auch in ihrer Studie „Marine Rudders and Control Surfaces: Principles, Data, Design and Application“ für den Großschiffbau empfehlen Anthony Molland and Stephen Turnock 4er-NACA-Profile für Ruderblätter.
Kröger zufolge werden bei Ruderblättern im Schiffbau Profile bevorzugt, welche einen etwas größeren Widerstand in der Nullstellung als das von Ridder empfohlene haben. Dabei jedoch besser mit großen Anstellwinkeln klar klarkommen. Als Beispiel für ein ideales Ruderblatt nach heutigen Erkenntnissen nannte Kröger das HSVA-MP73. Das Kürzel „HSVA“ steht für Hamburgische Schiffbau-Versuchsanstalt. Kröger zufolge bietet es einen cleveren Kompromiss zwischen moderatem Widerstand und guter Ruderwirkung bei großen Anstellwinkeln. Segler, die sich mit der Optimierung ihres Ruders beschäftigen, sollten hier anknüpfen.
Bezüglich des Nasenradius (der Vorderkante des Ruders) gilt die Faustformel: Je größer der Nasenradius, desto unempfindlicher ist das Profil bei großen Ausschlägen des Ruderblatts gegenüber der nachteiligen Ablösung. Das empfohlene NACA-Profil hat einen schlanken Nasenradius. Es ist daher weniger geeignet.
Nach Auswahl des geeigneten Profils, für das etwas Zeit eingeplant werden sollte, wird das entsprechende Profil digitalisiert und auf Schablonen übertragen. Beim beschriebenen Swede 55-Ruder wurden von Ridder drei Ebenen empfohlen. Bei den Sondierungen ist man auf die Hilfe von Profis angewiesen. Umsonst geht das nicht.
Dank an Juliane Hempel, Dipl.-Ing. Jörn Kröger von der TU HH-Harburg, Prof. Sven Olof Ridder († 2012) und Peter Andrin Steiner.
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