Split-Level-Fotografie

Über den Reiz einer speziellen Variante der Segelfotografie, die das Geschehen halbe-halbe oben zeigt und darunter einen Blick ins Aquarien-grüne Wasser bietet. Wie ein süddeutscher Wassersportfotograf zum Pionier dieser Fototechnik wurde und ein Berliner sie später perfektionierte. Über handwerkliche Herausforderungen und wie sie analog gemeistert wurden. Wie heute digital nachgeholfen wird. Abschließende Überlegungen zur Frage, was vom Effekt bleibt.

Segler sind auf der Reibfläche von Wind und Wasser unterwegs. Die herkömmliche Segelfotografie zeigt diese Reibfläche und die Boote in der vertrauten Über-Wasser-Perspektive mit ästhetischen, dramatischen, kontrastreichen oder stimmungsvollen Bildern.

Einblicke in die handwerklich anspruchsvolle Split-Level-Fotografie

Nun ist uns die klassische Segelfotografie mittlerweile so bekannt, dass sich einige Profis auf der Suche nach neuen Perspektiven das Thema mal anders vornahmen. Diese fotografisch anspruchsvolle Perspektive wird Split-Level-Fotografie genannt. Wie das obige Foto von Sören Hese zeigt, bietet es den aquarienartigen Blick ins Meer. An einem heißen Leichtwindtag ist es erfrischend ins grün schimmernde Wasser zu gucken. Besonders reizvoll sind dabei Aufnahmen, die sogar den Kiel zeigen.

Inspiriert von David Elficks und George Greenoughs Wellenreiterhommagen

Um zu verstehen, wie es zu diesem Effekt kam, lohnt sich die Erinnerung an die große Zeit des Wellenreitens. 1970 erschien mit „Deep Tube Riding. The Inner(lost) Limits of Pure Fun“ eine bis heute sehenswerte Hommage ans Wellenreiten.

Sie feiert die Urgewalt, Magie und Schönheit des Surfens in der Röhre endlos brechender Wellen teils in Slow-motion. 1973 folgte „Chrystal Voyager“ unterlegt mit „Echoes“ von Pink Floyd, der letzten Einspielung ihres 1971er-Albums „Meddle“. Der Ritt durch die Röhre einer brechenden Welle dauert Sekunden. Das Genre des „psychedelischen Wellenreiterfilms“ verlängert und feiert ihn. Der Titel „innerlost“ weist auf diese entgrenzende Erfahrung hin.

Die Filme faszinierten auch den süddeutschen Surf-Fotografen Ulli Seer, der damals für Magazine und Firmen unterwegs war. Er packte seine Nikon F2 mit Motorantrieb zum Filmtransport in eine stabile und schwere Plexiglasbox. Bedienelemente gab es nicht. So musste die Kamera vorab eingestellt werden. Eine Fernsteuerung diente als Auslöser. Wie Seers folgende Fotos zeigen, gelangen ihm damit sehenswerte Aufnahmen.

Er besorgte ein professionelles Unterwassergehäuse des amerikanischen Herstellers Ikelite. Es hatte bereits Objektivkuppeln, die sich passend zum verwendeten Objektiv tauschen ließen, auch externe Bedienelemente für Auslöser und Schärfeneinstellung. Mitte der Achtzigerjahre fand Seer in Sydney mit Sea-Tite eine Spezialwerkstatt, die Unterwasserausrüstungen für die Filmindustrie baute. Die lieferte ihm einen sogenannten Dome-Port. Damit war die gewünschte Trennung zwischen Über- und Unterwasser technisch möglich.

Mit einem Halb/Halbfilter dunkelte er den Überwasserbereich um zwei Blenden ab. Um den stärkeren Vergrößerungsfaktor Unterwasser auszugleichen, nahm Seer für den Unterwasserbereich einen Korrekturfilter mit 2 Dioptrien. „Im heutigen Digitalzeitalter ist das nicht mehr nötig, weil durch die höhere Tiefenschärfe bei entsprechender Abblendung der Objektive und einfacher digitaler Nachbearbeitung die Belichtungsunterschiede zwischen dem Über- und Unterwasserbereich leicht auszugleichen sind“ erklärt Seer.

Später fotografierten Kurt Arrigo und Carlo Borlenghi mit der Split-Level-Technik große Segelyachten bei Mittelmeerregatten. Das war Anfang der 2000er Jahre in der Segelfotografie ein viel beachtetes Novum.

2014 beschäftigte sich der Berliner Outdoor-, Natur- und Segelfotograf Sören Hese mit der Split-Level-Fotografie. Er berichtet, dass Aufnahmen aus dem Tauchergehäuse aufgrund fehlender Motivkontrolle anspruchsvoll sind. Man kann dabei nicht durch den Sucher gucken. Die Bilder werden blind mit einer Stabverlängerung fern ausgelöst.

Split-Level-Fotografie diagonal: mit Luftblasen und Reflexionen von unten – Foto Sören Hese

Erst mit der Zeit bekam Hese ein Gefühl für den Öffnungswinkel, den die Optik abdeckt, und auch für das nötige Timing der Aufnahmen. Am schönsten sind Aufnahmen mit Tauchergehäuse bei klarem Wasser. „Hier lassen sich neben den typischen Split-Level-Aufnahmen mit Abbildung des Unterwasserschiffs auch Spiegelungen bei Flauten aufnehmen“, berichtet Hese.

Außer dem wasserdichten Gehäuse mit einer innen unbedingt sauberen, außen tropfenfreien Linse braucht es Experimentierfreude und einige Praxis. Hese erinnert etwa 5.000 Aufnahmen mit dieser Technik in der Saison 2015. Die Kamera wird nah über das Wasser gehalten und dabei millimeterweise während einer Serie abgesenkt. Eine Serie besteht aus 10 bis 20 Bildern. „Die Bildideen lassen sich nur ungefähr planen. Deshalb sind bestimmte Effekte, besonders die mit Wasserspritzern, schlecht reproduzierbar“ berichtet Hese.

„Die Lichtverhältnisse müssen stimmen und man muss sehr nah ns Boot gehen, damit es auf den Weitwinkelfotos formatfüllend sichtbar ist. Manchmal bist Du weniger als einen Meter dran. Das setzt gute Absprachen, ein gewisses Können und auch Mut des Fotobootfahrers voraus. Ein weiteres Limit ist trübes Wasser. Für die oben gezeigte Aufnahme vom Unterwasserschiff des klassischen Schärenkreuzer waren 3 bis 5 Meter das Maximum, wobei es in der Ostsee noch ganz gut aussieht. Die Berliner Seen sind für solche Motive meistens zu trüb“ berichtet Hese.

„Mit Setzen des Fokuspunktes in den beiden verschiedenen Medien Luft und Wasser muss man ebenso umgehen können, wie die Lichtverhältnisse und Beleuchtungsrichtung zu nutzen sind. Du musst wissen, was Du machst, sonst steht die Quote brauchbarer Bilder in keinem Verhältnis zum Ausschuss“ erklärt Hese. Alle Bilder sind nachher gründlich am Rechner bearbeitet. Hinter jedem Fototermin einer Regatta stecken mehrere Tage, manchmal eine Woche nachträgliche Bildbearbeitung.

Halb & halb Fotografie – Effekt oder Bereicherung?

Bietet die Split-Level-Segelfotografie mehr als einen vorübergehenden und sich rasch abnutzenden Effekt? Wie Seers Foto von den Chiemsee-Plätten in seinem Heimatrevier zeigt, kann es ein gern erinnertes Stimmungsbild von bleibendem Reiz sein. Es zeigt die Atmosphäre eines hochsommerlichen Tages, wo auf und im herrlich grünen Wasser wenig passiert. Es zeigt dieses „Geschehen“ in etwa halb und halb.

Chiemsee Flaute – Foto Ulli Seer

Abschließend die erwähnten Surffilme von 1970 und 1973, die zu Ulli Seers Split-Level-Fotografie führten. Ein Einblick auch in das Paralleluniversum „psychedelischen Wellenreitens“. Surfen als Lebensinhalt und Weltanschauung.

Sehenswert ist auch der Spirit des Aufbruchs in die Freiheit naturnahen Lebens mit Wellenreiten, einem speziellen Motorboot und praktischeren Segelboot in „Chrystal Voyager“.

Foto oben von Sören Hese: 15 qm Schärenkreuzer „Oj-Oj“ bei der Schlank & Rank Regatta. Dank an Ulli Seer und Sören Hese für den Hinweis aufs Thema, die Einblicke in ihre Arbeit und die Fotos.

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