
Die Schärenkreuzer Regel 1908 – 1925
Nach weithin verbreiteter Ansicht ist jede sehr lange und schlanke Yacht ein Schärenkreuzer. Tatsächlich ist er ein Bootstyp, der anhand der 1908 in Stockholm vereinbarten Schärenkreuzer Regel entstand. Sie wurde 1916, 1920 und dann abschließend 1925 grundlegend überarbeitet und gilt seitdem bis heute. Eine Erinnerung an die Erfindung des Schärenkreuzers, ein Blick auf wesentliche Schritte bis zum Neustart 1925.
Verschiedene Namen, ein Bootstyp
Für diesen weltweit einmaligen Bootstyp gibt es viele Namen. Zunächst einmal das schwedische Skärgårdskryssare, finnisch Saaristoristeilijä, in Holland Scherencruiser, auf Englisch Skerry Cruiser, Square Metre Boat, Square Metre Yacht oder Square Metre Class genannt. Auf Deutsch heißt er Schärenkreuzer. Das ist verwirrend. Denn einen Kreuzer kennt man als gemütliches Fahrtenboot zum besinnlichen Bummelsegeln. Wie nun das obige Foto des 55er Schärenkreuzers Sonja von 1920 mit einem Längenbreitenverhältnis von 15 zu 2 Metern zeigt, ist er das gerade nicht.
Als der Schärenkreuzer nach mehrjähriger Sondierung zum Regattasegeln im Archipel der Stockholmer Schären vereinbart wurde, ging es um einen Bootstyp, der zwischen den unzähligen Inseln des Skärgård gut kreuzt. Das geht am besten, wenn er hoch am Wind segelt und wendig ist, im Zickzack einer Nähmaschine auch enge Passagen zwischen den Schären nimmt. Die Schwedischer Segler dachten bei der Vereinbarung ihrer ersten Nationale Klasse an einen Bootstyp für das heimatliche Gewässer, den Schärengarten.
Unzählige Schärenkreuzer Typen
Dann gibt es noch allerhand Kürzel wie A 22, A 30, B 15, B 22, M 15, M 22, M 25, Sk 15, Sk 22, Sk 30, S30, 15er, 22er, 30er, 40er, 55er, 75er, 95er, 120er, 150er. In Deutschland der Zwanzigerjahre hieß der 40er Schärenkreuzer Rennkreuzer. Er wurde von 1920 bis 25 im Deutschen Reich 48-mal gebaut. Die Angelsachsen bezeichnen die 30-Quadratmeter-Klasse als Thirty Square. Hinzu kommen, und das macht die Verwirrung komplett, all die Tourenversionen. Die sind an das Original angelehnte Kompromisse zum familienfreundlichen und komfortablen Tourensegeln, als streng genommen keine echten Schärenkreuzer. Werfen wir nun einen Blick auf die Geschichte und Entwicklung des klassischen Schärenkreuzers von seiner Erfindung 1908 bis zur finalen, bis heute gültigen Fassung der Schärenkreuzer Regel 1925.
Die Schärenkreuzer Regel von 1908
Nach mehrjährigen Sondierungen schlug ein Gremium des Schwedischen Seglerverbands im Herbst 1907 zwei Bootstypen mit 30 und 50 qm Segelfläche zum Regattasegeln in den Stockholmer Schären vor. Bei denen sollten anders als bei vorherigen regionalen Bauvorschriften die Länge unberücksichtigt bleiben und einzig die Segelfläche begrenzt werden. Der Vorschlag wurde im folgenden Winter bei mehreren Treffen mit finnischen und Göteborger Seglern diskutiert – und zerredet. Die Idee war umstritten, die Geburt des Schärenkreuzer war nicht einfach. So der Stockholmer Professor Karl Ljungberg für Festigkeitslehre von der Königlich Technischen Hochschule und Mitglied des maßgeblichen Segelklubs KSSS das Heft i. die Hand. Die Väter des Schärenkreuzers waren: C.A. Hellstrand, Ingenieur und Vorstandsmitglied des KSSS; Albert Andersson, Bootskonstrukteur und Ingenieur; Axel Nygren, Bootskonstrukteur und Ingenieur; Hugo Schubert, Bootskonstrukteur und Ingenieur; August Plym, Bootskonstrukteur und Ingenieur; John Carlsson, Glasermeister und bekannter Segler im KSSS; Knut Bovin, Bankdirektor und Vorstandsmitglied im KSSS; Max Wibom, Gutsbesitzer; Arvid Rosengren, Ingenieur und Kanu-Konstrukteur; Karl-Einar Sjögren, Postbote, Bootskonstrukteur und einer der besten Segler Schwedens.

Am 21. Januar 1908 wurde die Schärenkreuzer Regel für zunächst sieben Segelflächengrößen von 30, 45, 55, 75, 95, 120 und 150 qm vorgeschlagen, ergänzt um einige Bauvorschriften, eine Mindestverdrängung und minimale Kajütgrößen. Am 22. Februar 1908 kam der 22er hinzu und der schwedische Seglerverband stimmte zunächst den Klassen bis 55 qm zu. Im Frühjahr wurde mit Älfvan der erste Schärenkreuzer aufgetakelt.

1913 folgten mit dem 15er und 38er zwei weitere Typen. Die größeren Exemplare der 75er, 95er, 120er und 150er wurden jetzt anerkannt. Die Rümpfe wurden länger, eleganter und erhielten die Schärenkreuzer typisch gestreckte, V-förmige Vorschiffspartie. Die Hecks blieben zunächst noch kurz und breit.
Erste Regeländerung 1916
Am 1. November 1916 wurden die Mindestverdrängung und die Wandstärken etwas angehoben und die 38 und 45 qm Klassen durch den 40er Schärenkreuzer ersetzt. Finnische Konstrukteure wie Zake Westin, Gösta Kyntzell und Gustaf Estlander setzten auf Länge, in Schweden waren es Erik Salander und die Brüder Tore und Yngve Holm. Der Erste Weltkrieg hatten einigen Glückspilzen in Schweden ein Vermögen beschert und die segelten die angesagte Schärenkreuzer Klasse. Der Ehrgeiz führte zu extremen Konstruktionen. Ende der 1910er Jahre setzte sich das am Wind deutlich effizientere Bermuda Rigg mit einem langen durchgehenden Mast gegenüber der Gaffeltakelage durch. Das Großsegel erhielt seine gestreckte, Vogelschwingen ähnliche Form. Damit ließ sich ausgezeichnet in den Schären segeln.

Zweite Änderung 1919/20
Wie die Tabelle zu vier 55 m2 Schärenkreuzern zeigt, wurden die Boote bei abnehmender Breite binnen fünf Jahren ziemlich lang. Die oben gezeigte Sonja ist bei 15 m Länge ganze zwei Meter breit. Solch ein Rumpf bietet bei wenig Wind geringen Widerstand und liegt bei 3–4 Windstärken dann ordentlich auf der Seite.
Boot | Baujahr | Länge | Breite | Länge/Breite |
Eva | 1915 | 12,60 m | 2,35 m | 5,4 : 1 |
Nerida | 1916 | 13,33 m | 2,30 m | 5,8 : 1 |
Lila | 1919 | 13,65 m | 2,13 m | 6,4 : 1 |
Sonja | 1920 | 15 m | 2 m | 7,5 : 1 |
So wurden nach der rasanten Entwicklung im November 1919 größere Bordwandstärken und etwas mehr Verdrängung vereinbart. Das sogenannte Koffermaß, ein in die Boote gedachtes Rechteck mit der Unterkante in Höhe der Wasserlinie, sollte mehr Breite erzwingen. Maßgeblich finnische Konstrukteure entsprachen der Regeländerung mit gefalzter Bordwand. Die Boote blieben lang und extrem.
Die wiederholt geänderten Bauvorschriften machten den Seglern das Leben schwer. Die Klassen starteten anhand der Regeländerungen damals sogar separat. Aus der überzeugend einfachen Idee war eine Materialschlacht und komplizierte Sache geworden. So konnte es nicht weitergehen. Prof. Karl Ljungberg machte sich Gedanken. Wie folgende Zeichnung zeigt, wurde der Rumpf nun in verschiedenen Höhen, sogenannten Horizontalebenen vermessen. Das entscheidende Längemaß wird dabei einige Zentimeter über der Wasserlinie (Horizontalebene 0), der Horizontalebene 1 ermittelt. Dessen Höhe über der Wasserlinie ist für jede der neun Schärenkreuzer Klassen vom 15er (13 cm) bis zum 150er (39 cm) jeweils festgelegt. Siehe 8. Zeile der Tabelle weiter unten. In der Horizontalebene 1 wird auch eines der drei Breitenmaße (b1) ermittelt.

Die dritte, seit 1925 gültige Änderung
Die dritte Änderung der Schärenkreuzer Regel ist so gravierend, dass es sich um einen Neustart der Klasse handelt. Salopp gesagt, wurde die Länge geschickt in Beziehung zu anderen Maßen gesetzt. Das schränkte die rasante Entwicklung ein. Die Länge wird dabei etwas über der Wasserlinie des stehenden Bootes abgenommen. Seit 1925 können längere Schärenkreuzer und damit schnellere Boote gebaut werden. Dieser Vorteil wird mit vier Nachteilen erkauft:
- einer längeren Kielflosse mit mehr wasserbenetzter Fläche
- mehr Verdrängung
- mehr Breite, die jetzt anhand der sogenannten mittleren Breite nach einem ausgeklügelten System ermittelt wird
- mehr Freibordhöhe mit entsprechend mehr Windwiderstand und Gewicht

Ein breiteres und schwereres Boot mit mehr wasserbenetzter Fläche bewegt von der gleichen Segelfläche lohnt sich nur bei viel Wind. Ansonsten ist es nachteilig. Diese Regeländerung beendete die rasante Entwicklung der 40er Schärenkreuzer im Deutschen Reich. Nachdem in wenigen Jahren 48 Boote dieses Typs allein im Deutschen Reich entstanden war, gab es ab 1926 keinen 40er-Neubau mehr. Denn ein neues Boote wären langsamer als die alten gewesen. Die 22er und 30er Schärenkreuzer dagegen profitieren bis heute mit reellen Regatten mit vergleichbare Booten, wo eher das seglerische Geschick als das Boot entscheidet. Die Überarbeitung der Schärenkreuzer Regel durch Prof. Karl Ljungberg war ein großer Wurf.
Sie ist als 47-seitiges PDF auf Englisch im Internet auf der Website des Svenska Skärgårdskryssare Förbundet (SSKF) per Mausklick zugänglich. Sie beglückt uns mit einer schönen, zugleich beeindruckend haltbaren Bootsklasse. Seit Jahrzehnten werden Schärenkreuzer von Generation zu Generation erhalten und mit endlosem Genuss gesegelt. 1930 wurde die Segelhöhe limitiert, 1935 die Mindestfreibordhöhe um wenige Zentimeter angehoben.

Literatur zum Thema
- Per Thelander: Alla våra Skärgårdskryssare, Svenska Skärgårdskryssareförbundet (SSKF), Stockholm 1991, 160 Seiten (Schwedisch), antiquarisch, ISBN 91-970902-1-2. ↑ Kapitel Regeln och des utveckling, S. 11ff.
- The world of Square Metres. The Square Metre Rule – 100 years. Facts, History and Reports from all over the Globe. Svenska Skärgårdskryssareförbundet (SSKF), Stockholm 2008, ISBN 978-91-633-3069-8 (Englisch): Craig Dalgarno ↑ S. 6ff., Bo Bethge ↑ S. 8ff., Olle Madebrink ↑ S. 18ff.
Die Informationen für diesen Artikel verdanke ich maßgeblich den genannten Kapiteln der vorzüglichen Bücher Alla våra Skärgårdskryssare und The World of Square Metres. Obiges Foto des 55er Schärenkreuzers Sonja bei der Schlank & Rank Regatta von Wolf Hansen. 9. Mai 25 aktualisiert. Abonnieren Sie den → Newsletter und Sie verpassen keine neuen Artikel.
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