Schärenkreuzer Segler Uffa Fox
Im Frühjahr 1930 steht der 22 Quadratmeter Schärenkreuzer Vigilant am Medina River der Isle of Wight im Süden Englands auf einer Rampe. Abgesehen vom Bleikiel, dem Ruder und der Takelage ist das Boot fertig. Entworfen und gebaut hat es der angehende Schärenkreuzer Segler Uffa Fox (rechts im Bild).
Gebaut wurde es an Bord einer stillgelegten Fähre, die der Bootskonstrukteur und Bootsbauer als praktisches Boat- und Homeoffice bewohnt. In den seitlichen Unterständen lebt Fox mit seiner Frau Alma. Der Betrieb ist mittschiffs untergebracht. Preiswerter und näher am Metier lässt sich kaum arbeiten und leben. Leider ist der Weg zur Arbeit von Alma Fox, einer Schulleiterin in Cowes, etwas weiter. Er beginnt in Gummistiefeln.
Im Sommer 1930 überführt Fox das Boot mit seinem Segelfreund zu einer Schärenkreuzerregatta im ostschwedischen Sandhamn und zurück. Es sind viele Hundert Seemeilen von Südengland durch den Ärmelkanal, die Nordsee, den Nord-Ostsee-Kanal, die Ostsee und zurück. Nicht unbedingt das übliche Gewässer für ein Boot, das kaum hochbordiger und etwas länger als ein Drachen ist.
Wenige Jahre zuvor hat Fox mit Avenger die moderne gleitfähige Jolle erfunden. Weil der Sieger schon feststeht, heißt Regattasegeln damals rings um die Isle of Wight „Fox-hunting“. Es ist eher die Frage, wer Zweiter wird. Im Zenit seines seglerischen Erfolgs hat sich Fox 1928 an Bord der stillgelegten Fähre mit dem Bootsbau selbstständig gemacht.
Fox führt ein unkonventionelles, nach heutigen Maßstäben kühnes Seglerleben. Mit Mut, Ausdauer, Geschick und Glück lässt sich der wetterwendische Ärmelkanal von England aus im Jugendkutter, einer offenen 4,30 m Nussschale oder mit einem Segelkanu queren. Im Vergleich dazu ist die Schwedenreise mit dem flachbordigen Schärenkreuzer eine kommode Sache. Vigilant hat immerhin eine Kajüte mit voller Bückhöhe und zwei Kojen.
Wie Vigilant ein neues Kapitel im Seesegeln aufschlägt
Dieses Mal ist Fox auf den Regattabahnen im fernen Schweden nicht erfolgreich. Aber er genießt die sommerliche Auszeit, die Freiheit auf dem Wasser. Als Vigilant während der Rückreise nach England auf der Nordsee in einen Sturm gerät, beobachtet Fox, wie gut sich die schnittig schlanken Planken mit der gestreckten Bug- und Heckpartie in rauem Wasser machen. Er beschreibt es in einem seiner weltweit gelesenen Bücher vielleicht etwas schwärmerisch bis übertrieben so:
„Schärenkreuzer sind genau das, was man für die rauen Gewässer, wie sie entlang der britischen Küste zu finden sind, benötigt. Das Volumen in den Schiffsenden lässt das Boot leicht und elegant wie eine Seeschwalbe über die Wellen steigen.“ Fox wird zum Botschafter des Bootstyps, der damals auch in deutschen und amerikanischen Gewässern Anklang findet.
Die Erkenntnisse des mutigen Sommertörns brechen mit der Tradition des Seesegelns, wonach nur herkömmlich schwere, breite, hochbordige und konventionell robuste Boote für das Meer geeignet sind. Ein schlankes, leichtes und raffiniert proportioniertes Boot benötigt weniger Energie zum Vorankommen und ist dennoch beeindruckend seetüchtig.
Unterstützt von seiner Frau publiziert der eloquente Passionsmensch seine Erkenntnisse, Ideen und Erfolge in den Dreißigerjahren in einer Reihe weltweit gelesener Bücher. Die im Londoner Peter Davies Verlag erschienenen Titel sind im Zeitalter der industriehörigen und marketinggesteuerten Bootspresse wohltuend unabhängig, informativ und orientierend. Die Bände entfalten zugleich ein interessantes Panorama des Segelsports, des Boots- und Yachtbaus der Dreißigerjahre – vom Segelkanu bis zu den J-Class Segelschlachtrössern für den America’s Cup. Denn Uffa Fox kannte damals alle möglichen Schiffe und auch Konstrukteure wie Johan Anker oder Knud Reimers persönlich.
Mit seinem nächsten Schärenkreuzer-Entwurf „Sea Swallow“ für die Meisterschaftsregatten vor Marblehead in der 30-Quadratmeter-Klasse verlieh er dem ursprünglich schwedischen Bootstyp eine spezielle angelsächsische Note. Mit dem gewölbten Deck lässt sich das Boot einfacher bauen als eines mit einem herkömmlich kantigen Deckshaus. Die Form ist windschlüpfriger und überkommendes Wasser läuft besser ab. Die spitze Heckpartie des Doppelenders entspricht amerikanischen und englischen Vorlieben.
Die Foxsche Schärenkreuzer-Episode ist folgenreich für den angelsächsischen Segelsport. Seine Bücher werden im gesamten Commonwealth gelesen. So gelangen die schnittig schönen Planken nach Australien, Neuseeland oder Südafrika.
1947 gelingt Fox mit dem „Flying Fifteen“ sein größter Wurf. Damit überträgt er die Idee seiner revolutionären Jolle Avenger auf das gleitende Kielboot. Das 6 m lange, 1,50 m breite und mit ganzen 450 Kilogramm jollenartig leichte Boot mit reichlich Auftrieb im Vorschiff bietet Kentersicherheit und rasante Gleitfahrt. Im windreichen Gewässer des Solent werden erstaunliche Geschwindigkeiten erreicht. Der 3.700-mal gebaute „Flying Fifteen“ wird zum Prototyp des variantenreich nachgeahmten gleitfähigen Kielboots, wie es Generationen von Seglern bis heute begeistert.
Nach dem Krieg erinnert H.G. Hasler mit kühnen Südengland- und Irlandritten mit seinem etwas größeren 30er Schärenkreuzer Tre Sang an die Foxschen Erkenntnisse. Als in den Fünfzigerjahren mit wasserfestem Sperrholz und ab den Achtzigern mit modernen Faserverbundwerkstoffen aus Kunststoff und Sandwichverarbeitung leichtes wie belastbares Bootsbaumaterial zur Verfügung steht, setzt sich die Idee modernen Seesegelns mit anderen, leichten und gleitfähigen Hochseeyachten unaufhaltbar durch.
So schlug Vigilant, der im Frühjahr 1930 provisorisch von zwei Böcken auf der Rampe der stillgelegten Kettenfähre abgestützte Schärenkreuzer, ein interessantes Kapitel in der Geschichte des Seesegelns auf. Lesenswert zum Thema:
- Sailing, Seamanship and Yacht Construction (1934)
- Uffa Fox’s Second Book (1935)
- Sail and Power (1936)
- Racing, Cruising and Design (1937)
- Thoughts on Yachts and Yachting (1938)
- Crest of the Wave (1939)
- Seamanlike Sense in Powercraft (1968)
- June Dixon: Uffa Fox. A Personal Biography, Brighton, Angus & Robertson 1978
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