Zeichnung 30er Schärenkreuzer Vanja IV von Knud Reimers

30er Schärenkreuzer Vanja VI

Reading Time: 5 minutes

Wie diese Knud Reimers Konstruktion aus dem Jahr 1943 stilbildend für seine Schärenkreuzer und weitere Boote von seinem Reißbrett wurde.

Während des Zweiten Weltkriegs zeichnet Knud Reimers für den Kaufmann E. Ståhlquist aus Hudiksvall einen neuen 30 m2 Schärenkreuzer. Soweit es sich anhand Per Thelanders vorzüglicher Chronik Alla våra Skärgårdskryssare nachvollziehen lässt, ist es sein zehnter Entwurf der 30 m2 Klasse im Auftrag schwedischer Eigner und nach Vanja IV und V die dritte für Ståhlquist. Wie die Übersicht weiter unten im Artikel zeigt, kommen zahlreiche Entwürfe für Schweizer Auftraggeber hinzu. Allein für schwedische und Schweizer Rechnung entwirft Reimers damals 26 Dreißiger. Reimers ist also im Thema. Vanja VI ist 12,95 m lang, 2,18 m breit und wird im Sommer 1944 in der Stockholm Båtbyggeri aufgetakelt.

Reimers 30 m2 Schärenkreuzer in schwedischem Auftrag

Segelnummer – Fertigstellung Bootsname Werft – Anmerkungen
S 152 – 1933Vanja IVGamleby Varv, ging 1937 nach England K11
S 117 – 1934ValiantKungsörs Varv – in USA US 30
S 179 – 1936TarponJungsörs Varv – seit 1937 in England K 9
S 180 – 1936Roulette IIMotala Varv – ins Ausland verkauft
S 152 – 1938Vanja VSträngnäs Varv – ging nach Südafrika
S 168 – 1939CapriceSverre Varv Göteborg – nach England, später Australien verkauft
S 177 – 1938Roulette VIIMotala Varv – Reimers eigenes Boot, ins Ausland verkauft
S 170 – 1939Roulette VIIIMotala Varv – Reimers eigenes Boot, 1939 nach USA verkauft
S 177 – 1939KorybantKungsörs Varv – nach Engladn verkauft
S 181 – 1944Vanja VINeglinge Varv – in die Schweiz verkauft

Der Blick auf folgende Zeichnung von Vanja VI zeigt die Spantform mit schlanker Wasserlinie. Sie erklärt auch, warum mehr Gewicht mit deutlich breiterer Wasserlinie und entsprechendem Widerstand so nachteilig ist.

Vanja IV mit leicht zum Deck hin eingezogenen Spantformen – Sjöhistorika museet, CC BY-SA 4.0

Interessant ist auch die größte Breite, wie sie gemäß der Schärenkreuzer Regel von 1925 etwa auf halber Freibordhöhe mit dem Faktor 4 in die Vermessung eingeht. Sehenswert ist auch die elegant nach oben zum Deck hin eingezogenen Rumpfform. Seglerisch vorteilhaft wie handwerklich anspruchsvoll ist die oben schlanke Kielflosse mit dem meisten Blei unten.

Fülligere Vorschiffs- und Heckpartie

Anders als frühere Schärenkreuzer Entwürfe von Reimers hat Vanja VI mehr Volumen im Vor- und Achterschiff. Nach landläufiger Meinung sollte die Bugpartie eines Bootes möglichst schlank sein, damit sie das Wasser möglichst widerstandsarm durchschneidet. So hielt es auch sein Vorgänger Gustaf Estlander. Nun gibt es noch einen weiteren Gesichtspunkt, nämlich die Frage, wie viel Widerstand bei zunehmender Fahrt zu überwinden ist, bis der Rumpf seine maximale Geschwindigkeit erreicht. Das regelt der sogenannte prismatische Koeffizient. Er bezeichnet das Volumen in den Schiffsenden gegenüber dem Hauptspant. Hier ist ein bestimmtes Verhältnis einzuhalten, damit das Boot zügig ins Laufen kommt. Mit Vanja VI verabschiedet er sich von der filigran schlanken Linienführung seines Vorgängers Gustaf Estlander, die er seit Übernahme des Büros 1930 annähernd 1 1⁄2 Jahrzehnte bei seinen Entwürfen fortgesetzt hatte.

Kiel und Ruderblatt von Vanja IVSjöhistorika museet, CC BY-SA 4.0

Die annähernd waagerechte Aufhängung des Bleis unter der Bilge bietet einen tiefen Ballastschwerpunkt. An dieser Lösung wird Reimers auch bei seinen letzten 30 m2 Schärenkreuzern Ende der Achtzigerjahre festhalten.

Reimers’ Pflugförmige Kajüte

Mit Vanja VI führte er auch die vorn spitze Kajüte ein. Sie wird in der Schärenkreuzer Szene „Pflug“ genannt. Sie ist aufwendiger zu bauen und bietet weniger Platz als ein Aufbau mit kantiger Front, reduziert dafür den Windwiderstand, was eher theoretischen Natur sein dürfte.

Reimers 8 m-R Yacht Glana – CC BY-SA 4.0, Sjöhistoriska museet

Vor allem ist sie hübsch anzusehen. Reimers hat diese Kajütform wenig später der 8 mR Yacht Glana für den Genfer See gegeben. Sie hat sich später dann beim sogenannten Bijou-Typ, dem beliebten und gewissermaßen in Serie gebauten 30 m2 Schärenkreuzer der Werft Beck & Söhne von der Bodenseeinsel Reichenau durchgesetzt.

Der Reimers Achter Glana auf dem Genfer See © James R. Taylor/sealens.co

Eine weitere Finesse von Vanja VI ist die elegante Seitenansicht mit dem unmerklichen, spannungsreichen Deckssprung zwischen dem Löffelbug und dem gestreckt aus dem Wasser gehobenen Achterschiff. Das entdeckt, wer sich eine Weile mit Schärenkreuzern beschäftigt.

Bei Vanja IV mit Fock und drei verschiedenen Genuagrößen – Sjöhistorika museet, CC BY-SA 4.0

Wie Olle Madebrink in einem fundierten Kapitel des lesenswerten Buches The World of Square Metres über die Entwicklung des klassischen Schärenkreuzers anhand der Schärenkreuzer Regel ab 1925 zeigt, gab Reimers seinen Entwürfen einige Zentimeter mehr Freibord. So werden sie im Fall einer werftseitig schwerer geratenen Ausführung noch als Schärenkreuzer vermessen. Denn die Mindestfreibordhöhe darf nicht unterschritten werden. Reimers entwarf nicht so auf Kante wie sein Vorgänger Estlander. Mit einer höheren Bordwand wird das Boot etwas schwerer, was Reimers im Unterschied auch zu anderen Kollegen in Kauf nahm. Er hat seine 30er später sogar eine Idee breiter gezeichnet, als es die Schärenkreuzer Regel verlangt. Das läuft bei leichtem Wind nicht ganz so gut, bietet dafür mehr Formstabilität.

Das stilbildende Boot gelangte 1952 in die Schweiz und trug zur mitteleuropäischen Renaissance des 30 m2 Schärenkreuzers in der Schweiz und am Bodensee bei. Wie folgende Übersicht zeigt, war Reimers in der Schweiz ebenso gefragt wie in Schweden.

In der Schweiz gebaute Reimers 30 m2 Schärenkreuzer

Segelnummer – Fertigstellung Bootsname Werft
Z 2 -1935VesperaChantier Naval Corsier Port
Z 3 – 1945KeaChantier Naval Corsier Port
Z 5 – 1937BelugaChantier Naval Corsier Port
Z 7 – 1939DominoBessert & Engeli
Z 12 – 1946CometChantier Naval Corsier Port
Z 14 – 1950Lucky IIPortier, Meilen
Z 15 – 1952KönigsbergPortier, Meilen
Z 32 – 1934Santa MonicaSoland, Zürich
Z 33 – 1937Aloha IVPortier, Meilen
Z 35 – 1938Mary AnnSuter & Portier
Z 36 – 1938Stars ‘n StripesSuter & Portier
Z 38GiritzPortier, Meilen
Z 39LandiSuter & Portier
Z 40 – 1939CaravellePortier
Z 41Maia/Aiglon IISuter & Portier
Z 44ReginaPortier, Meilen
Z 45Avosette IIPortier, Meilen

Von der wegweisenden Vanja VI abgesehen, ging Reimers in kleinen Änderungen von Entwurf zu Entwurf vor.


Achterer Überhang mit Falz


Reimers gab seinen Schärenkreuzern bald eine v-förmige statt einer rundspantigen Heckpartie, was die wasserbenetzte Fläche und somit die Haftreibung des Wassers bei sehr wenig Wind reduziert. Es hilft bei Leichtwindverhältnissen, die in den ostschwedischen Schären so üblich sind wie im Leichtwindrevier der Schweizer Seen und auf dem Bodensee. Der Falz im achteren Überhang ist bei seinem 30er des Bijou-Typs (aus der Z 15 Königsberg entwickelt), seinen Touren Schärenkreuzern S30 und der Nachfolgerin Swede 41 sowie dem Jubilee S40 angedeutet. Bei Swede 55 ist er deutlich zu sehen.

Literatur

  • Per Thelander/Svenska Skärgårdskryssareförbundet: Alla våra Skärgårdskryssare, Stockholm 1991, Bootsregister über die 30er, S. 72 ff.
  • Lars Nordlund/Svenska Skärgårdskryssareförbundet: The world of Square Metres. The Square Metre Rule – 100 years. Facts, History and Reports from all over the Globe, S. 18 ff.
  • Reinhard P. Bäder/Internationale Vereinigung der 30 m2 Schärenkreuzer Klasse: Schärenkreuzer im Herzen Europas. Geschichte und Geschichten der Schärenkreuzer in Bayern, am Bodensee und in der Schweiz. Konstanz 2010, Kapitel Schärenkreuzer in der Schweiz, S. 202 ff.

Dank an Ruedi Huber. Zeichnung oben: Knud Reimers Konstruktion Vanja IVSjöhistoriska museet, CC BY-SA 4.0. 8. Juni 25 aktualisiert. Abonnieren Sie den → kostenlosen Newsletter und Sie verpassen keine neuen Artikel.

→ alle Artikel zum klassischen Schärenkreuzer, → Porträt des Yachtkonstrukteurs Knud Reimers