Die Geschichte der Fisksätra Werft

Ein Blick auf die kaum bekannte Geschichte des schwedischen Pioniers des Serienbootsbaues aus Glasfaser verstärktem Kunststoff. Die zuletzt in den Jahren 1968 bis 1979 in der oben gezeigten ehemaligen Streichholzfabrik im westschwedischen Västervik und in Gränna in der Nähe des Vätternsee ansässige Werft baute Motorboote, Marine-, Zoll- und Vermessungsschiffe.

Ab den Sechzigerjahren dann Segelboote, gemütliche Doppelender und beliebte Kajütboote. Schließlich die Touren Schärenkreuzer S30 und Swede 55. Diese Exoten unter den Serienbooten entstanden in den Siebzigerjahren in heute beeindruckenden Stückzahlen. Voraussetzung dazu war die frühe Entscheidung des Werftchefs Torild Larsson zur modernen Serienfertigung. So wurde Fisksätra bereits Ende der Vierzigerjahre zum Pionier des Gfk-Bootsbaues in Schweden. Ein Blick auf die 60-jährige Werftgeschichte, die mit der Übergabe der letzten Swede 55 Mai 1980 endete.

Fisksätra Salonboot Lady II aus dem Jahr 1929, entworfen von Carl Gustaf Pettersson – Foto Sinikka Halme (CC BY-SA 4.0)

1919 bei Saltsjöbaden östlich von Stockholm von Axel Larsson (1889 -1966) als Fisksätra Motorbåtsvarv gegründet, fertigte der Betrieb in der damals üblichen geplankten Holzbauweise, meist nach Entwürfen von Carl Gustaf Pettersson. 1948 übernahm der Sohn des Werftgründers den Betrieb. Ein Jahr später beschäftigte sich Torild Larsson (1917-99) mit dem damals neuen Bootsbaumaterial, glasfaserverstärktem Kunststoff.

Fisksätra Motoryacht Parbleu
Fisksätra Backdecker Parbleu Baujahr 1932 nach Plänen von Carl Gustaf Pettersson – Foto Sinikka Halme (CC BY-SA 4.0)

Zwar gab es Glasfaser schon lange als dekoratives Element, doch gelang es erst 1930 Glasfäden mit definiertem Durchmesser als Rollenware und damit als brauchbares Baumaterial herzustellen. Das erste Glasfaserboot wurde vermutlich 1942 von Ray Greene im US-Bundesstaat Ohio laminiert. Ende des Zweiten Weltkriegs baute die namhafte Herreshoff Manufacturing Company an der amerikanischen Ostküste einen Ruderboot-Prototypen aus Glasfaserschnipseln und Harz, beließ es jedoch bei diesem Versuch.

Torild Larsson als schwedischer Gfk-Pionier

Als Sproß einer Handwerkerfamilie wusste Torild Larsson, wie anspruchsvoll, zeitintensiv und teuer Holzbootsbau ist. Auch flogen damals überall in Schweden, wo Boote gebaut wurden, die Späne. Die angesehene Neglingewerft von August Plym befand sich ein paar Buchten weiter. Larsson setzte anders, neu an. Nur waren Bootsbauer, die ihr Arbeitsleben mit dem schönsten Bootsbaumaterial Holz verbrachten, traditionsverbundene Menschen. Und ihre Kunden auch. Entsprechend groß waren die Widerstände gegenüber dem neuen Material. So experimentierte Larsson zunächst zurückgezogen in der Werft, während seine Angestellten noch herkömmlich schmucke Holzmotoryachten mit angehobenem Vorschiff, sogenannte Backdecker, und Salonboote aus Mahagoni mit separatem Aufbau hinter dem Steuerstand bauten. 1949 lieferte Fisksätra das erste Gfk-Erzeugnis an die Marine. Wenige Jahre später folgte ein 9,15 m Boot mit 200 PS Motor für den Zoll, seinerzeit das größte Kunststoffboot Schwedens.

42 Knoten Torpedoboot von Fisksätra – Foto Schwedische Marine

Wer für staatliche Auftraggeber stabile und zuverlässige Arbeitsboote liefert, überwindet eines Tages die Vorurteile privater Käufer. Diese Weitsicht sollte sich für Larsson und die Fisksätra Werft später lohnen.

Frühe Fisksätra GfK-Motorboote

Sechzigerjahre: grosse Auswahl erschwinglicher Boote – Swedish Classic Boats

Nach beharrlicher Beschäftigung mit Harz und Fasern hob Larsson im Herbst 1953 dann das erste GfK-Freizeitboot aus der Form. Es hieß Svalan (deutsch Schwalbe) und wurde im Frühjahr 1954 auf der Bootsmesse Allt för Sjön ausgestellt. Skeptische Besucher bearbeiteten das Erzeugnis am Messestand mit Kugelschreibern, um sich von der Haltbarkeit zu überzeugen. Svalan war 6 m lang, erreichte mit einem 60 PS Innenborder 20 Knoten und wurde bald vom Nachfolger Figatto ersetzt, den es als Daycruiser mit Einbaumaschine und als sportliche Variante mit Außenborder gab. Für die Marine gab es eine ferngesteuerte Version zum Schleppen von Zielscheiben. Passend zum 1959 vorgestellen Aquamatic Antrieb von Volvo Penta folgte Figatto 60, von der zur nächsten Saison gleich 25 Boote verkauft wurden.

Firally und der Volvo Penta Aquamatic Antrieb wurden beim Ritt Rund Schweden getestet – Firally Homepage

Ab 1962 laminierte Fisksätra die Firally-Serie als Freizeit- und Arbeitsboot. Im Lauf der Jahre entstanden 95 Exemplare für die Marine, die Polizei, das Seefahrtswerk und den Zoll. Modell für Modell, Saison für Saison setzte Larsson Glasfiberplast, glasfaserverstärkten Kunststoff, in Schweden durch. Fisksätra hatte so viele Aufträge, dass die Räumlichkeiten in der Nähe von Saltsjöbaden nicht reichten.

Fisksätra motorboat Primör 18
Inserat der Sechzigerjahre für Primör 18 und weitere Fisksätra Erzeugnisse – Swedish Classic Boats
Modell BauzeitTypBoote
Svalan 1953-556 m Gleiter25
Figatto6,40 m Gleiter
Figoletto4,25 m Gleiter
Fido’s Camping5 m Motorboot für zwei Personen50
Folkparca6,40 m Motorboot, verschiedene Motorisierungen als Verdränger und Gleiter≈ 600
Firally (1962 – 70)6 m Gleiter in verschiedenen Ausführungen205
Bunn (ab 1962)8,20 m Salonboot
Primör 18 (ab 1965)5,45 m Gleiter
Primör 23 (ab 1966)7,05 m Gleiter
Die Fisksätra Motorboote

Die Fimowerke in Gränna

So wurde die Fertigung Anfang der Sechzigerjahre nach Gränna östlich des Vätternsee verlegt, wo Fisksätra auf 1.400 Quadratmetern in den sogenannten Fimoverken neben Motorbooten auch die ersten Segelboote laminierte. Darunter die beliebte Fingal und die Doppelender Fidra und Storfidra. Fidra war ein 6 m Doppelender mit traditionellen Linien und Innenballast, das es als offenes Kielboot, mit Kajüte, als Motor- und Fischerboot gab. Bald folgte die größere Schwester Storfidra.

Die 8,35 m lange Fingal setzte sich dank ihres erfolgreichen Gotland Runt Regatta-Debüts durch. Die stäbige Fidra und ihre größere Schwester Storfidra entsprachen dem Sicherheitbedürfnis vieler Segler. Der Bootstyp löste es 1966 beim stürmischen Skaw Race ein. Damit waren letzte Zweifel am neuen Baumaterial seetauglicher Segelyachten ausgeräumt. In diesem Zusammenhang ein Blick nach Amerika und Mitteleuropa: 1955 hatten Clinton und Everett Pearson in Massachusetts ihre ersten Glasfaserjollen laminiert und vier Jahre später das erste Kunststoff Segelboot vom Typ Triton 28 aus der Halle geschoben. In Deutschland baute Dehler die Varianta 1966 – 82 viertausend Mal. 1967 laminierte Dufour in Frankreich die erste Arpege und Nautor die erste Swan 36.

Broschüre zum 50-jährigen Bestehen der Werft – Firally Homepage

Fisksätra Produkter in Västervik

Wieder brauchte Fisksätra mehr Platz. So setzte die Werft 1968 im ostschwedischen Västervik in einer stillgelegten Streichholzfabrik der Wallenbergschen Unternehmensgruppe den Bau von Segelyachten fort. Hier gab es 9 Tausend Quadratmeter große Räumlichkeiten und ein 100 m langes Kai zur Lieferung der Boote. Die Niederlassung hieß Fisksätra Produkter. Anfang der Siebzigerjahre begann der Bau des S30 Touren Schärenkreuzers. Bald folgte mit Swede 55 ein für damalige Verhältnisse großes Boot. Im Herbst 1975 hatte Fisksätra Aufträge für 80 Backdecker vom Typ Debutant, 40 Ohlson 22, 40 Parant Motorsegler, 35 Touren Schärenkreuzer S30, 25 Folkparca, 20 Parca 22, zehn Havsfidra, fünf Swede 55 und weitere Boote. Die Werft brauchte Kapital, um all diese Boote, insgesamt 261 Exemplare, zu bauen.

Fisksätra Prospekt zu den Touren Schärenkreuzern S30 und Swede 55
Mitte der Siebziger: Fisksätra Prospekt zu den Touren Schärenkreuzern S30 und Swede 55 – Archiv Swedesail

Vermittelt durch die Enskilda Bank (ebenfalls Wallenberg) übernahm die schwedische Unternehmerfamilie Gylling, sie war mit Radios und Telefonapparaten zu Geld gekommen, geleitet von Bertil Gylling, zwei Drittel von Fisksätra. Torild Larsson kümmerte sich um die Fertigung von Segelyachten in Västervik, entwarf neue Modelle und modernisierte später den S30 mit einem kantigen Aufbau im Stil von Swede 55. Letztere wurde ab 1976 mit einem Rumpf aus Massivlaminat, aufwändiger Vierschalenbauweise und Sandwichdeck in leichter, verwindungsarmer Bauweise mit einem Kern aus Balsa Hirnholz (quer im Laminat stehendem Balsa) laminiert, einer damals fortschrittlichen Bauweise. 27 Boote dieses Typs innerhalb von drei Jahren waren damals beachtlich, heute ist es angesichts der Konfirmität modernen Bootsbaues ein sagenhafter Erfolg. Zugleich setzte Fisksätra wie gehabt auf beliebte Motorboote und gängige Kleinkreuzer zur Auslastung der beiden Standorte in Gränna und Västervik.

Modell/BauzeitTypBoote
Havsfidra6 m Doppelender327
Fingal 1964 – 19708,35 m Seekreuzer200
Storfidra 1968 – 737,60 m Doppelender146
Mustang Junior (1968 – 71)5 m Ausbildungs- und Jugendboot150
Ohlson 22 (1970-77)6,50 m Kajütboot444
S 30 (1972 – 1979)12,50 Touren Schärenkreuzer304
Parant 25 (1974 – 79)7,60 m Motorsegler261
Debutant (ab 1975)6,20 m Backdecker mit 17 qm am Wind
Swede 55 (1975 – 79)16 m Touren Schärenkreuzer27
Die Fisksätra Segelboote

Das letzte Kapitel der Fisksätra Werft

In den Siebzigerjahren boomte der schwedische Bootsbau; zum Beispiel mit dem 27 Füßer Albin Vega (3.450 Boote), der tausend Mal gebauten 23 Fuß Schwester Albin Viggen, der ebenso gefragten Scampi 30, der Shipman 28 und dem Erfolg von Pelle Pettersons Backdeckern vom Typ Maxi. An der Westküste lockten Hallberg Rassy, Malö, Sweden Yachts oder Vindö deutsche Segler mit konservativen, hochwertigen Erzeugnissen.

Two Swede 55 ready at Fisksätra Varv in Västervik, Sweden September 1979
Zwei neue Swede 55 im September 1979 vor der Fisksätra Werft – Foto Swedesail

Bis heute kommt die Erfahrung des Gfk-Pioniers Torild Larsson und der solide, reklamationsfreie Bootsbau den langen und schlanken Rümpfen des S30 und Swede 55 zugute. Es sind stabile Schiffe ohne strukturelle Probleme.

Rund lief es in Västervik nicht. Es ist schwer zu sagen, ob die Probleme persönlicher Natur waren, ob die Mentalität des Investors mit einst 1.500 Angestellten nicht zu der des überschaubaren Bootsbaubetriebes mit einigen Dutzend Handwerkern passte oder ob der Schritt in die damals boomende Yachtbranche wirtschaftlich enttäuschend war. Vermutlich waren es mehrere Gründe. Bereits 1977, ein Jahr nach der Übernahme durch Gylling, verließ Sune Larsson, der jüngste von Larssons Söhnen, die Werft.

Fisksätra Erzeugnisse Swede 55 und S30 am langen Werftsteg in Västervik – Foto Swedesail

Das Zeitfenster zum Bau schöner und pflegeleichter Serienboote wie S30 und Swede 55 nach Plänen von Knud Reimers war kurz. Torild Larsson und seine Kollegen nutzen es 1971, als der S30-Prototyp entstand, bis 79 mit 304 Exemplaren des S30 und 27 Booten vom Typ Swede 55.

Wie ein Mitarbeiter im Herbst 1979 in Västervik berichtete, hatte die Werft eine der beiden teuren Swede 55-Formen verloren. 1979 zog sich Gylling von Fisksätra zurück. So endete die Geschichte 60 Jahre nach Gründung der Werft, bereits im dritten Jahr seit Übernahme durch Bertil Gylling mit der Fertigstellung von Gamle Swede als letztem Fisksätra Erzeugnis. Am 4. Juni 1980 warf ich am langen Steg der bereits geschlossenen Werft die Leinen los.

Foto oben: Die spätere Fisksätra Werft im ostschwedischen Västervik 1927 als Streichholzfabrik. Die Informationen dieses Beitrags stammen großenteils aus der Broschüre zum 50-jährigen Werftjubiläum 1969 und einem Artikel der schwedischen Motorbootzeitschrift “Vi Battägare”, der vier Jahre nach Schließung der Werft erschien. Einzelheiten siehe Dokumente. Dank an Micke Öhman/Schweden.

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