K.-o.-Kriterien beim Yachtkauf
Der Kauf eines Bootes ist eine wunderbare Sache. Als ideale Auszeitmaschine lässt es Arbeit, Stress und die üblichen Landlebenspflichten vergessen. An Bord lebt es sich herrlich analog und naturnah. Andererseits ist der Bootskauf ein riskanter Schritt, wenn Träume, Emotionen und der Wunsch, mal etwas ganz Anderes zu machen, so groß sind, dass sie den Blick auf die Realität trüben.
Eine Midlife-Crisis und Geld reichen. Mancher macht es auch ohne Midlife-Crisis und Geld. So geht es hier mit gebotenem Realismus um die Frage, ob ein Boot überhaupt ins Leben passt. Sie lässt sich anhand folgender K.-o.-Kriterien beim Bootskauf entscheiden.
Wenn Träume in die Irre führen
Ein Boot wird als Versprechen, als Platzhalter für ein erträumtes besseres Leben am und auf dem Wasser gesehen. Nur sollte man dabei im Blick behalten, wie viel Gelegenheit dazu unter dem Strich bleibt. Allsommerlich volle Häfen mit still liegenden Booten und leere Wasserflächen bei herrlichem Segelwetter zeigen, dass es in den meisten Fällen nicht aufgeht.
Wie viel Geld wurde schon versenkt, wie viele Beziehungen sind bereits daran zerbrochen, wenn jemand zu lange in Bootszeitschriften geblättert hat, sich auf Bootsmessen umgesehen oder in der Parallelwelt des Internet verloren hat? Deshalb ist es wichtig, möglichst sachlich und unbeteiligt auf die persönlichen Verhältnisse zu schauen. Sie können das selbst versuchen oder im Gespräch mit einem Freund. Leider ist es bei einem emotionsbeladenen Thema schwer bis unmöglich. Was aus einem Gespräch mit einem Segler dabei herauskommt, ist ebenso klar wie die Entscheidung nach einem Gedankenaustausch mit einem Nichtsegler. Es kommt also darauf an, wen Sie fragen.
Beispiel einer Bootskauf-Beratung
Der Kauf eines sündteuren Sportwagens ist eine vergleichsweise reelle Sache. Bereits ein exquisites Cabrio ist günstiger als ein übliches Serienboot. Und es ist ehekompatibel, weil sich die Begeisterung dafür zu Hause leben lässt. Er passt eher zum Landlebensschwerpunkt. Hinzu kommen die Zeit, davonlaufende Kosten und die Tatsache, dass man üblicherweise mehrere Auto- oder Flugstunden vom Liegeplatz des Bootes entfernt lebt. Wer hat ein Wassergrundstück oder wohnt in der Nähe des Segelreviers? Wer legt unter der Woche abends mal eben ein paar Stunden im Sommer ab? Wer leistet sich einen Bootsmann oder zuverlässigen Bootsservice, um flott zur Sache zu kommen?
Was hängt am Betrieb einer Yacht?
Es meldet sich ein Interessent am Kauf einer gebrauchten Swede 55. Offensichtlich eher Realist als Träumer. Er möchte eine telefonische Beratung, wo er „auf die mit dem Boot verbundenen Probleme hingewiesen wird.” Er schreibt: „Ich bin durch Ihre Website auf Sie aufmerksam geworden, die ich mehrfach mit persönlichem (Erkenntnis-)gewinn besucht habe. Ich möchte Sie als gedanklichen Sparringpartner, denn schönreden kann ich mir das Thema Bootskauf selbst”. Er schickt gleich einen Fragenkatalog. Das habe ich so strukturiert bei meiner langjährigen Beratung von Seglern noch nicht gesehen.
Er segelt seit seiner Jugend, derzeit einen modernen Sportkatamaran. Gelegentlich wird mit der Familie im Mittelmeer gechartert. Das sind gute Voraussetzungen für ein seglerisch anspruchsvolles Boot wie Swede 55. Als versierter Segler würde er nach zwei Segelsommern bestimmt mit dem Boot klarkommen. Dann sprechen wir über seine persönlichen Verhältnisse, die sich leider alle als K.-o.-Kriterien erweisen.
Vier K.-o.-Kriterien
Seine Frau ist erstens vom Bootskauf nicht angetan. Das ist leider ganz schlecht. Er lebt zweitens fünf Autostunden von der Ostsee entfernt. Diese Reisezeit geht von einer komplett staufreien Fahrt aus. Die Familie hat drittens ein Haus mit großem Garten. Nun wird ein Garten in unseren Breitengraden bekanntlich im Sommer genossen. Wie passt der Betrieb einer Yacht mit Pflege, Reparaturen und Segeln dazu? Er hat viertens noch ein anderes tolles Hobby.
Vielleicht ließe sich die Frau mit dem Kauf eines interessanten Bootes überzeugen. Macht unter dem Strich 3,5 K.-o.-Kriterien. Ich schenke ihm das in der gebotenen Klarheit so ein. Nun reicht bereits ein K.-o.-Kriterium zur Klärung solch einer Frage. Deshalb heißt es so. Natürlich kann man sich das Thema schönreden. Leider geht das nach meiner Beobachtung auf Dauer selten gut.
K.-o.-Kriterium Crew
Wir sprechen über die angebotenen Swede Exemplare, den realistischen, nicht den schöngeredeten Instandsetzungsaufwand (Zeit, Organisation und Geld), die Liegeplatzsituation für 16 m Bootslänge und das Thema Tiefgang bei etwa 2,15 m an der Ostsee. Ich erkläre die Vor- und Nachteile von Marina und Club, berichte von den Segeleigenschaften, den Vor- und Nachteilen von Swede 55 bei viel Wind und Seegang. Ich erkundige mich, mit wem er das Boot absehbar regelmäßig segeln wird. Er glaubt, 16 Meter alleine aus dem Liegeplatz zu bekommen, das Schiff einhand zu segeln und das Boot heil wieder in die Box zu bekommen. Das geht bei idealen Bedingungen mit Erfahrung und Helfern im Hafen. Hier kommt ein weiteres K-o.-Kriterium hinzu.
Unter dem Strich eine schwierige Entscheidung zwischen gebotenem Realismus und dem Traum von einem interessanten Schiff. Ich spüre die Enttäuschung des Kunden und höre seine Ansätze, an den Fakten zu feilen.
Obwohl es hier um eine Kaufberatung geht und mich die persönlichen Verhältnisse nichts angehen, rate ich abschließend: „Sollten Sie sich dennoch für ein Boot entscheiden, machen Sie es nur mit, keinesfalls ohne Ihre Frau.“ Ich bin zu lange auf dem Wasser unterwegs, habe an Bootsstellplätzen zu viele gestrandete Projekte gesehen und zu viele Schicksale beobachtet, um dem Kunden hier etwas vorzumachen. Deshalb meine ehrliche Antwort als „gedanklicher Sparringspartner“ auf seine Fragen. Klar ist, dass Swede 55 diesbezüglich ein gefährliches Boot ist. Die schöne Linie und die Segeleigenschaften drehen Augenmenschen und Seglern die Sicherung raus. Mir seit 1980.
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