
Swede 55 Sturmfock
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Einleitend folgende Faustformel zur Berechnung der Sturmfockgröße. Die Größe dieses Segels orientiert sich üblicherweise an der Länge des Vorstags. Diese Länge wird in der Takler- und Segelmacher-Nomenklatur als Maß „T“ bezeichnet. Bei Regattabooten wird die Segelfläche mit 5 Prozent von T² ermittelt. Bei Fahrtenyachten sind es 3 bis 3,5 % von T². Bei 13,70 m Vorstagslänge von Swede 55 ergäbe dies bei der Regattaversion 5 % ganze 9,4 m², beim Fahrtenboot gerade mal 5,6 bis 6,7 m². Hierbei handelt es sich um ein Segel zum Abwettern schwerer Stürme.
Gamle Swede war Jahrzehnte mit einer 16 m2 Sturmfock unterwegs. Da dieses Segel aus schweren 450 Gramm Tuch das Boot tapfer durch Dick und Dünn zog, wurde es an Bord liebevoll Angstlappen genannt. Ich habe es an manchem windreichen Tag mit gewissem Fracksausen vorn im Profilstag eingefädelt und gesetzt. Irgendwann war das Segel bauchig und das reichlich strapazierte Schothorn sah aus wie Wellblech. 3 1/2 Jahrzehnte hat es gute Dienste geleistet. So lange hält ein herkömmliches Dacron-Segel ohne Rollanlage.

Ermittlung der Vorsegelfläche per LP-Maß
Damit wurde anhand der Erfahrungen mit dem vorigen Boot, einem 30 m2 Tourenschärenkreuzer Typ Lotus, der recht rank war, 1980 im ostschwedischen Västervik abgelegt. Vorliek 10 m, Achterliek 8,33 m, Unterliek 4,14 m, LP-Maß 3,13 m. Beim LP-Maß (das Kürzel steht für die englische Bezeichnung luff perpendicular) handelt es sich um den Abstand vom Schothorn zum Vorliek. Er wird im rechten Winkel vom Vorliek gemessen. So wird die Vorsegelfläche immer, von der Genua bis zur Sturmfock ermittelt. Die genannte Segelfläche von knapp 16 m2 (genau genommen sind es 15,65) errechnet sich aus der Vorlieklänge x LP / 2.

Damit lag das Boot nicht zu sehr auf der Seite und kreuzte auch bei deftigen Bedingungen wie viel Wind und üblem Seegang. Interessant an diesem Segel mit hohem Schothorn ist auch die Übersicht. Dank des guten Blicks nach vorn kann man damit die enge Trave mit Fähren und Schiffsverkehr sicher hochkreuzen.

Bei nachlassendem Wind um fünf Windstärken lief es allerdings nicht mehr. Dann war auf die Fock zu wechseln. Wie sich im Lauf der Jahre zeigte, war die damalige Entscheidung für die kleinere, von der Swede 55-Spezifikation abweichende Sturmfock falsch.
Der neue Angstlappen

Gemäß Segelplan von 1975 hatte Konstrukteur Knud Reimers eine Sturmfock mit 10,60 m Vorliek, 8,50 m Achterliek, 4,30 m Unterliek und einem LP-Maß von 3,40 m und 18 m2 vorgesehen. Als ich vor einer Weile mit dem Lübecker Segelmacher Arnd Deutsch eine neue Sturmfock plante, ging es um ein universelles Starkwindsegel, mit dem sich auch bei weniger Wind, um die drei bis vier Windstärken, schon passabel kreuzen lässt.
Eine verschleißträchtige Rollanlage mit dürftigem Segelstand kommt bei Swede 55, wo es um Segelspaß und genüssliche Am-Wind-Kurse geht, für mich nicht infrage. Andererseits ist die Zeit, als meine Segelfreunde und ich mehrmals täglich auf dem Vorschiff herumkrochen, um ein passendes Vorsegel zu setzen, vorbei. Kniffelig war die Schotführung zwischen Unter- und Oberwant. Die Lösung waren besser austarierte Segelflächen und ein robustes Segel aus schwerem 450 Gramm-Polyestertuch für die Sturmfock.
So nähte Deutsch eine etwas höher geschnittene Starkwindfock mit hohem Schothorn. Vorliek 10,70 m, Achterliek 8,75 m, Unterliek 4,55 m, LP-Maß 3,35 m und annähernd 19 m2. Der neue Angstlappen ist ein interessanter Kompromiß. Damit läuft es bei fast allen segelbaren Windstärken von vorn. Das Segel hat drei Latten. Es liegt abends parallel zu den Latten gerollt in einem wasserdichten und UV-beständigen Schlauch auf dem Kajütdach.
Zusammen mit dem neuen 44 m2 Großsegel, dessen Fläche sich mit insgesamt drei Reffreihen mit wenigen Handgriffen schnell reduzieren lässt, ist das Boot jetzt mit vorn 3 m2 mehr und sogar leicht überlappendem Tuch universell besegelt.
Sturmfock und erstes Reff neu 54 m2 statt 49 m2 alt. Sturmfock und zweites Reff neu 47 m2 statt 42 m2 alt. Dank dieser austarierten Besegelung kommt das Boot ohne die heute üblichen Rollanlagen aus.
Einzelheiten zur neuen Swede 55 Starkwindfock
Tuch: Dacron mit gelben Vectranfäden in Schussrichtung. Hersteller Dimension-Polyant, Markenname Vectron, Typ VEC 100
Tuchgewicht: 10,5 Unzen = 450 g/m2 (statt 350 Gramm, wie für Swede 55 empfohlen)
Schnitt: horizontale Bahnen
Verarbeitung: drei Segellatten, davon die oberste lang, großen Verstärkungen (Bolten) am Segelkopf, -fuß und Schothorn. Schothorn mit leinenschonend eingestanzter, dicker Kausch statt des heute üblichen dünnen Nirorings
Extras: spezieller Vorliekstreifen für Reckmann-Profilstag, Spione
Segelmacher: Arnd Deutsch, Teerhofinsel, Bad Schwartau bei Lübeck
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Foto oben von Swedesail: Gamle Swede beim Trocknen der neuen Starkwindfock im Passathafen von Travemünde. 16. November 25 veröffentlicht, 16. November 25 aktualisiert. Abonnieren Sie den → kostenlosen Newsletter und Sie verpassen keine neuen Artikel.
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