
Swede 55 Vortex
Liebhaber klassisch schöner Boote wie des Drachen, 30er Schärenkreuzers, Lacustre oder Folkebootes haben ein Problem. Holzboote sind im Unterhalt aufwendig und als Neubau unbezahlbar. Deshalb werden sie seit Anfang der Siebzigerjahre deutlich günstiger aus glasfaserverstärktem Kunststoff (Gfk) in Serie gebaut. Auch Swede 55 entstand ab 1975 so. Bereits Ende der Achtzigerjahre nun geht Steve White in der Brooklin Boatyard den umgekehrten Schritt. Er baut das Gfk-Serienboot Swede 55 aus Holz.
Fünf Autostunden von Boston befindet sich im nordöstlichen US-Bundesstaat Maine die Ortschaft Brooklin. Der Winter hier ist schneereich, der Sommer angenehm kühl. Das Gewässer der Penobscot Bay ist ein schärenähnliches Idyll mit zahlreichen Inseln und vier Metern Tidenhub. Im Jahr 1954 beginnt Joel White (1930–97) am Center Harbour von Brooklin als Lobsterfänger und macht sich 1960 als Bootsbauer in einer ehemaligen Fischkonservenfabrik mit der Reparatur von Fischerbooten selbstständig. Bald hilft sein 13-jähriger Sohn Steve im Betrieb. In den Achtzigerjahren wird der Junior durch einen Artikel in Heft 6 von Nautical Quarterly auf Swede 55 aufmerksam, nimmt bereits Ende 1984 Kontakt mit Swede 55 Konstrukteur Knud Reimers auf. Beraten von Reimers und seinem Vater, überarbeitet er die Pläne für den Bau des Bootes aus Holz.
Swede 55 als formverleimter Epoxidharz-Neubau
Nach Experimenten mit Regattabooten und Eissegelschlitten setzte sich damals eine neue Bootsbautechnik durch, die formverleimte Bauweise. Hier werden mehrere Lagen dünner Furniere über Kreuz, senkrecht und längs mit Epoxidharz zu einem leichten und stabilen Bootskörper verklebt. Das Verfahren ist interessant, weil es bei vertretbarem Aufwand qualitativ hochwertige Sonderanfertigungen ermöglicht. Epoxidharz versiegeltes Holz ist beinahe so pflegeleicht wie Glasfaser verstärkter Kunststoff.

So hat die Brooklin Boatyard bereits mehrere kleine Boote mit West-System Harz der Gebrüder Gougeon gebaut. Der Swede 55-Neubau ist ein cleverer Schritt in die Zukunft des kleinen, stetig wachsenden Winterlagerbetriebs mit Reparaturen und dem Neubau individuell schöner Boote jenseits des Mainstreams. Vortex soll zeigen, ob sich die Bauweise zur Fertigung größerer Einzelbauten eignet.
Was Steve White anders macht
Reimers empfiehlt White, auf das Gewicht des Bootes zu achten, was dank der formverleimten Bauweise ohne die beiden zusätzlichen Kunststoff-Innenschalen der Fisksätra-Serienfertigung gelingt. Schottwände mit Schaumkern und der funktional schlichte Ausbau ohne Lotsenkoje und Naviecke, auch die Rattan bespannten Türen der Kleiderspinde, Schapps und Schwalbennester tragen dazu bei. Manches an diesem Boot löst Steven White typisch amerikanisch und in der Tradition seines Vaters, einfacher und schlichter. Die Bauweise verlangt eine Kielkonstruktion ohne Bilge (und Stauraum). Das Blei wird etwas tiefer unter die Flosse gehangen.
Anstelle der umlaufenden Aluminium-Fußleiste, mit der Rumpf und Deck bei Gfk-Booten zusammengefügt sind, zieht White die Bordwand etwas höher. Er streckt den Kajütaufbau optisch und lässt die Reimers-typische Stufe weg. Die Fenster sitzen rahmenlos in den Seiten der Mahagonikajüte. Die Holzbauweise verlangt eine andere Form des Sülls zwischen dem vorderen Aufbau und Achterkajüte. Aus Zweckmäßigkeitsgründen (Gewicht, Kosten, Pflegeaufwand) hat Vortex kein Teakdeck. Das dank Holzbauweise bei Rumpf und Deck gesparte Gewicht erlaubt 295 kg mehr Ballast. Das Deck passt farblich zum beige lackierten Alumast.

Nach siebentausend Arbeitsstunden wird der Swede 55 Neubau 1990 im Center Harbour aufgetakelt. Vortex wird zum viel beachteten Botschafter der Werft, wozu der Artikel der weltweit von Holzbootliebhabern gelesenen Zeitschrift Wooden Boat beiträgt. Die Erzeugnisse der Brooklin Boatyard und die ebenfalls im Ort ansässige Zeitschrift nebst Schulungszentrum zur Vermittlung traditionellen und modernen Holzbootsbaus bieten Ästheten eine Alternative zu Großserien-Erzeugnissen. Holzboote sind hier über die geschilderten Gründe hinaus eine Weltanschauung. Mit Vortex zeigt Steve White auch, dass er in den Schuhen seines Vaters laufen kann, die Geschicke der Brooklin Boatyard fortsetzen. Während zwei Besuchen lernte ich den introvertierten Joel White, den umgänglichen Steve in Brooklin kennen und ruderte durch den Center Harbour zu Vortex.
Auftakt zu zahlreichen Sonderanfertigungen
White segelt Vortex zur Karibik und zurück, einschließlich einem Härtetest bei brutalen Bedingungen im Golfstrom des Nordatlantik. Seitdem weiß White, dass die formverleimte Epoxidharz-Bauweise hält.

Im Laufe der Jahrzehnte folgte eine Flotte schöner Boote im Stil des Spirit of Tradition, der elegante Linien, ein modernes Unterwasserschiff mit pflegeleichter Bauweise vereint.
| Werft, Baujahr | Brooklin Boatyard, 1988-90 |
| Länge über Alles | 16,15 m |
| Länge Wasserlinie | 12,47 m |
| Breite | 3 m |
| Tiefgang | ≈ 2,10 m |
| Verdrängung | 8.165 kg |
| Ballast | 3.719 kg (+ 295 kg) |
| Segelfläche | 74,3 m2 |
| Motor | 27 PS Diesel |

Foto oben: Bootsbauer Steve White am Steuer seiner Vortex in der Penobscot Bay – Foto Brooklin Boatyard. 12. März 24 veröffentlicht, 13. Oktober 25 aktualisiert. Abonnieren Sie den → kostenlosen Newsletter und Sie verpassen keine neuen Artikel.
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